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„Bin ich eine Gefahr?“, steht auf dem Schild eines Afrikaners, der im April an einer der Demonstrationen für eine Generalamnestie illegaler Einwanderer in Paris teilnahm.

Foto: EPA/LUCAS DOLEGA
Einmal sitzen auch sie an den Tischen, an denen sonst die Damen und Herren Platz nehmen. Zwei Dutzend Schwarze sind im Restaurant "Chez Papa" beim Pariser Gare de l'Est, dem Ostbahnhof, versammelt. Einige haben einen Sticker der Gewerkschaft CGT auf der Brust. Aber sie klopfen keine Sprüche und skandieren keine Streikparolen, wie das in Frankreich sonst üblich ist. Sie sitzen ganz einfach da, schweigend, müde nach zwei Wochen Arbeitskonflikt.

"Ich fühle mich nicht gut, mein Körper schmerzt vom Nichtstun“, meint Fousseinou Traoré, ein junger Mauretanier. Normalerweise arbeitet er in der Küche, schnipselt Gemüse oder reinigt das Geschirr. Er ist "plongeur", Tellerwäscher; andere im Saal sind Küchengehilfe oder Koch. Sie stammen aus Senegal, Mali, Mauretanien oder Algerien und bereiten bei „Chez Papa“ Speisen aus Südwestfrankreich, so etwa Foie Gras, Entenbrust oder Axoa, ein typisches baskisches Hackfleischgericht. Sie machen die Arbeit, die Franzosen nicht machen wollen – oder nur für den doppelten Lohn.

Nicht mal den Mindestlohn

Bei „Chez Papa“ bekommen die Afrikaner oft nicht einmal den Mindestlohn von 1280 Euro, obwohl sie in einer kleinen, hektischen Küchensauna bis Mitternacht schuften. Aber sie klagen nicht – und wenn, hört sie niemand: Die Gäste der kleinen Restaurantkette bekommen das Küchenpersonal nie zu sehen. Die Kellner sind weiß, und der Patron stammt wirklich aus dem Aveyron, wie sein breiter Akzent beweist.

Auch Fousseinou arbeitete seit drei Jahren bei „Chez Papa“. Er erzählt, wie er aus der mauretanischen Wüste nach Senegal gewandert sei und in Dakar das Schiff nach Marseille genommen habe. Ohne Ausweispapiere kam er bis nach Paris; dort arbeitete er mithilfe der Papiere eines Landsmannes zuerst auf dem Bau; dann kam er bei „Papa“ unter. 300 Euro hat ihn eine gefälschte Aufenthaltsbewilligung gekostet. „Sie war falsch“, räumt der Mauretanier ein, „aber der Patron schaute nicht zweimal hin“. Warum hätte er auch gesollt: Sogar die Behörden tolerierten den Zustand angesichts des akuten Personalmangels in den französischen Restaurantküchen. Dort arbeiten heute schätzungsweise 50.000 willige und billige Afrikaner ohne korrekte Papiere. Humanitäre Vereine kritisierten ab und zu die „verdeckte Sklavenarbeit“. Aber niemand sagte etwas; Wirte und Arbeitsinspektoren arrangierten sich. Schließlich zahlen die Afrikaner Steuern und Sozialversicherungsbeiträge – und sogar peinlich genau, da sie keine Probleme mit dem Staat haben wollen.

Sarkozy sagt den Sans-Papiers den Kampf an

Mitte 2007 sagte der frischgewählte Präsident Sarkozy den Sans-Papiers allerdings den Kampf an. Jedes Jahr will er 30.000 von ihnen abschieben lassen. Die Polizeipräfektur von Paris ist angehalten, auch die Unterlagen der Wirte zu kontrollieren. Bei „Chez Papa“ wurde sie natürlich auch fündig. Doch dort taten die schweigsamen und pflegeleichten Küchenhilfen das Undenkbare: Seit Mitte April sind sie im Streik, um reguläre Papiere zu verlangen. Viele andere Restaurant-Belegschaften haben sich seither der Bewegung angeschlossen.

Die Arbeitgeber unterstützen die Streikenden. „Einige Afrikaner arbeiten schon seit neun Jahren bei mir“, erzählt „Chez Papa“-Wirt René Druilhe etwas abseits der Streikenden. „Sie verdienen es alle, richtige Ausweise zu erhalten. Schließlich zahlen sie in Frankreich Steuern und leisten ganze Arbeit. Ein Axoa zuzubereiten ist gar nicht so einfach!“ (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, Printausgabe, 2.5.2008)