Jeweils montags und donnerstags eine Stadtgeschichte Thomas Rottenberg

Es war gestern. Da wurde ich beinahe überfahren. Am Zebrastreifen. Ich hatte grün. Wäre es ein ampelloser Fußgängerübergang gewesen, hätte mich das nicht weiter verwundert. Schließlich sind Autofahrer, die Fußgängern den ihnen zustehenden Vorrang lassen, eine rare Spezies. Aber Ampeln gelten doch (meistens) noch. Und beim Benutzen eines Zebrastreifens mit Ampel dürfen Fußgänger in der Regel auch damit rechnen, von Abbiegern halbwegs respektiert zu werden.

Aber weil es kein Auto, sondern ein Fiaker war, der mich da am Ring fast erwischt hätte (und der mich auch noch wüst beschimpfte, als ich ihn fragte, ob er wisse, was eine Ampel ist), fiel mir jenes Mail wieder ein, das mir G. ein paar Jahre lang alle paar Wochen geschickt hatte. Es bestand im Wesentlichen aus einer einzigen Frage: "Wie kommt es eigentlich, dass Wiens Fiaker sich über sämtliche Vorgaben der Straßenverkehrsordnung hinwegsetzen dürfen, ohne dass das jemals thematisiert, geschweige denn geahndet wird?"

Ich habe G. dann einmal zurück geschrieben: "Weil sie keine Radfahrer sind." Und G antwortete "*seufz* ja, das dürfte es wohl sein". Seit damals habe ich nichts mehr von ihm gehört. Obwohl ich nicht glaube, dass meine Antwort wirklich schlüssig, logisch oder befriedigend gewesen sein könnte. (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 1. Mai 2008)