Kieselalgen sind die "große Liebe" der vielseitigen Experimentalphysikerin.

Foto: Frank Helmrich
Ihren Geistesblitz, das heißt, ihre "größte wissenschaftliche Entdeckung", hatte Ille Gebeshuber bereits im zarten Alter von fünf Jahren. "Da habe ich auf einmal entdeckt, dass aus Samen in der Erde kleine Pflanzen werden." Eine neugierige Beobachterin sei sie schon immer gewesen - und auch geblieben, erzählt die 39-jährige Experimentalphysikerin, deren Beruf und Leidenschaft es ist, "das unendlich Große im Kleinsten, im Banalen zu finden".

Deswegen hat es ihr auch die Rastersondenmikroskopie so angetan, mittels derer Strukturen im Quadratnanometerbereich visualisiert werden können. Bei den daraus entstehenden Bildern der einzigartigen Muster von Atomen oder Strahlentierchen gerät die gebürtige Steirerin ins Schwärmen. "Das ist total schön!" Ihre "große Liebe", wie Gebeshuber sagt, sind glasmachende Algen. "Diese Organismen stellen im Wasser, bei Temperaturen von 15 Grad oder weniger, Hüllen aus Glas her und keiner weiß, wie das geht. Wir könnten sehr viel davon lernen, wenn wir es herausfinden", schildert Gebeshuber ihr ganz persönliches Forschungsziel.

Bereits während ihres PostDocs im kalifornischen Santa Barbara machte sich die "Femtech Expertin des Monats März" zum Ziel, erstmals lebende Kieselalgen mit dem Rasterkraftmikroskop zu untersuchen. Was ihr auch gelang - und damit grundlegende Eigenschaften des Algenklebers aufzeigen und einen wichtigen Schritt in ihrer Karriere zu machen.

An Ehrgeiz mangelte es Gebeshuber nie: Nachdem sie als Kind viel Zeit im Krankenhaus verbrachte und in der "analytischen Welt" eine "Insel der Stabilität" fand, setzte sie es sich in den Kopf, Diplomingenieurin zu werden. "Weil das nur Männer machten und die Ausfallquote so hoch war."

Heute widmet sie sich als Assistentin an der TU Wien der physikalischen Grundlagenforschung und untersucht die Interaktion von hochgeladenen Ionen mit Oberflächen. Im Rahmen des EU-Projekts ITS LEIF wird getestet, ob bestimmte Biomoleküle auf verschiedenen Nanostrukturen haftenbleiben - was sowohl für die medizinische als auch für die Weltraumforschung von Belang ist. Daneben beschäftigt sich Gebeshuber als Key Researcher am Kompetenzzentrum für Tribologie in Wiener Neustadt mit Schmierung, Reibung und Verschleiß von Atomen und Molekülen.

Viele Preise

Doch das ist noch nicht alles: Seit ihren Studienzeiten setzt sich die Opernliebhaberin für Gleichberechtigung von Frauen ein, hält Vorlesungen und Workshops, sitzt im Editorial Board einer britischen Fachzeitschrift, publiziert unentwegt ihre Arbeiten und nimmt an internationalen Konferenzen teil. Zuletzt ließ sie sich gemeinsam mit Boeing-Ingenieuren für die Flugzeugentwicklung im Dschungel von Costa Rica von der Natur inspirieren. Zahlreiche Preise, etwa für die Entwicklung eines neuartigen Raumschiffkonzepts, säumen ihre Laufbahn.

Vor zwei Wochen hat die Physikerin ihre Habilitationsschrift abgegeben. Kaum zu glauben, dass sie noch Zeit für ihre Haustiere (derzeit zwei Papageien und eine Ratte) und ihre Hobbys (Goldschmieden, Kamelreiten, Höhlenklettern) findet. "Es macht mir Spaß, mehrere Sachen gleichzeitig zu machen." (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Printausgabe, 30.4.2008)