Kiew/Moskau - 22 Jahre nach der Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl haben tausende Menschen in der Ukraine, Russland und Weißrussland am Samstag mit Gedenkveranstaltungen der Opfer gedacht. In zahlreichen Städten der Ukraine legten Bewohner Blumen und Kränze nieder und zündeten Kerzen an, wie die Agentur Interfax meldete. Mehrere hundert Atomkraftgegner protestierten in Minsk gegen den geplanten Bau eines neuen Kernkraftwerks in Weißrussland. "Es darf kein zweites Tschernobyl geben", sagte der weißrussische Oppositionspolitiker Alexander Milinkewitsch bei dem traditionellen Protestmarsch.

Der autoritär regierende weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko verteidigte die Pläne, da sein Land die Abhängigkeit von Öl und Gas verringern wolle. Die Regierungsgegner bezeichnete Lukaschenko als "Banditen" und "Volksfeinde", die ihrem Land nur schaden wollten. Nach Regierungsangaben aus Minsk gingen 1986 nach dem Reaktorunfall im ukrainischen Tschernobyl rund 70 Prozent des radioaktiven Niederschlags über Weißrussland nieder.

Noch hunderte Orte verstrahlt

Auch in der Ukraine seien immer noch hunderte Orte um die Unglücksstelle herum verstrahlt, sagte Zivilschutzminister Wladimir Schandra am Samstag in Kiew. Allein in etwa 500 bewohnten Orten liege die Belastung von Lebensmitteln mit dem radioaktiven Cäsium über den zulässigen Grenzwerten, sagte Schandra.

Die Reaktorkatastrophe vom 26. April 1986 im nordukrainischen Tschernobyl setzte eine gewaltige Menge radioaktiver Strahlung frei - etwa 500 Mal mehr als nach dem Atombombenabwurf auf Hiroschima 1945. Bis heute herrscht Unklarheit über das genaue Ausmaß der Folgeschäden. Während eine zentrale Studie unter Leitung der Weltgesundheitsorganisation WHO von langfristig maximal 4.000 Toten ausgeht, sprechen Atomkraftgegner von bis zu 100.000 Toten. Hinzu kommen nach Expertenangaben tausende Menschen, die an Krankheiten leiden oder durch Strahlenschäden behindert sind. (APA/dpa)