"Die Menschen sind heute viel weniger offen für politische Ideen. Wenn man zu direkt predigt, nimmt einen niemand ernst."

Foto: Donaufestival
Standard: Mr LaBruce, mit "Cheap Blacky" haben Sie soeben Ihr erstes Theaterstück inszeniert. Ein Musical, in dem Sie sich auf Filme aus den späten 60er-Jahren beziehen.

LaBruce: Ich wusste zunächst gar nicht, was ich tun möchte. Außer vielleicht, dass ich das Motiv des Strichers wieder aufgreifen wollte – es kommt in einigen meiner Filme vor, vor allem in Hustler, White. John Hustons Reflections in a Golden Eye, Josephs Loseys Boom, der auf einem Stück von Tennessee Williams basiert, Fassbinders Whity sowie Teorema von Pasolini sind die vier Filme, die die Basis des Stücks bilden. Sie sind innerhalb von vier, fünf Jahren entstanden und haben die Figur eines Streuners oder Eindringlings gemeinsam, der die Ordnung der Familie transformiert – meist dadurch, dass er mit allen Sex hat. Eine Epiphanie ist die Folge, aus der letztlich die Zerstörung der Familie hervorgeht. Ich hatte so ein Avantgarde-Cabaret im Sinn.

Standard: Hat die Theaterarbeit Vorzüge gegenüber dem Film?

LaBruce: Es war befreiend! Ich war nicht so sehr an Konventionen gebunden wie beim Film. Wenn man Independentfilme macht und auch noch will, dass sie einen Verleih finden, müssen sie erzählerisch geschmeidig sein, bestimmten Normen genügen ...

Standard: Ihre Filme sind aber nicht gerade geschmeidig, sondern ziemlich experimentell.

LaBruce: Aber sie sind konventionell genug, um gewisse Erwartungen gegenüber Figuren und erzählerischen Entwicklungen erfüllen zu müssen. Beim Theater ist das alles eigentlich egal. Ich kann mich mit Archetypen begnügen und brauche keine Erzählung. Vor allem in Berlin geht das gut.

Standard: Einige Ihrer Filme haben Politik und Porno kombiniert. Lässt sich diese Art des offensiven Queer Cinema aufs Theater übertragen?

LaBruce: Ich möchte diese pornografische Auseinandersetzung eigentlich nur noch am Theater verfolgen. Skin Flick und The Raspberry Reich waren im Grunde als Pornofilme designt. Auch für Otto; or Up with Dead People haben wir noch Hardcore-Szenen gedreht. Beim Schnitt habe ich gemerkt, dass sie die Atmosphäre des Films eher beeinträchtigen. Ich glaube aber nach wie vor, dass es schwer ist, einen politischen Queer-Film zu machen, ohne dass es darin explizite Sexszenen gibt. Heute herrscht diese Tendenz vor, zu sagen, Homosexualität sei nichts, was bedrohlich ist. Viele Schwule haben sich assimiliert. Die meisten reagieren jedoch auf schwulen Sex immer noch zimperlich. Die extremeren Seiten der schwulen Kultur werden immer noch tabuisiert.

Standard: Ihre Arbeit ist ja generell gegen Mainstreamkultur gerichtet, spielt aber lustvoll mit deren Symbolen. Wie hat sich diese Ästhetik entwickelt?

LaBruce: Alle meine Filme sind in gewisser Weise Filme über Filme. Dieser Stil geht auf meine Anfänge zurück, als ich noch Kurzfilme auf Super 8 machte, in denen ich Szenen aus dem Fernsehen abfilmte und neu montierte. Ich habe Fanzines gemacht, in denen ich Collagen anfertigte, oft mit pornografischen Elementen. Es ist eine Art Punkästhetik, in der es darum geht, Bilder aus anderen Quellen zu stehlen und neu zu mischen, um derart andere Sichtweisen zu eröffnen – das ist meine Art, unkonventionell zu sein.

Standard: In "Otto; or Up with Dead People" ist es der Zombiefilm, den Sie neu deuten. Warum gerade diese Art des Horrorfilms?

LaBruce: Mir geht es immer darum, die Erwartungen der Menschen zu unterlaufen und sie an neue Grenzen heranzuführen Einen Horrorfilm mit Tanzelementen zu machen ist ja schon eine Form der Häresie – das will niemand in einem Zombiefilm sehen ... Der Film ist ja in keiner Weise besonders blutig, es gibt nur wenige Splattermomente. Mit Otto wollte ich sie mit den Freuden eines Zombiefilms anlocken, um sie dann mit einer zärtlichen schwulen Liebesgeschichte zu quälen. (lacht) Und mit Feminismus.

Standard: In "Otto" und "The Raspberry Reich" gibt es Filmcrews, die politisch motiviert sind. Sie zeichnen Sie jedes Mal sehr ambivalent.

LaBruce: The Raspberry Reich war eine Kritik an der Linken, die zugleich deren Symbole benützt. Ich schrieb den Film unter dem Eindruck des 11. Septembers. Ich war angewidert, wie still und feige sich die Linke verhält; dass sie rechten Kräften und dem Krieg gegen den Terror frei Bahn ließ. Ich wollte mit einer gewissen Nostalgie auf die alten revolutionären Ideen und Überzeugungen antworten, um sie wieder zu bestärken. Zugleich bin ich mir bewusst, dass das nicht geht, ja wirkungslos bleiben muss – die Menschen sind heute viel weniger offen für politische Ideen. Wenn man zu direkt predigt, dann nimmt einen niemand ernst. Ein romantischer oder auch leicht lächerlicher Blick auf diese Dinge macht es den Menschen leichter.

(Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 26/27.04.2008)