"Ohne Scheu sagen Muslime, dass deutsche Frauen Schlampen seien": Islamkritikerin Seyran Ates warnt vor falscher Toleranz.

Foto: Standard/Heribert Corn

Sie provoziert konservative Muslime ebenso wie liberale Linke. Mit Seyran Ates sprach Gerald John.

 

 

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STANDARD: Wenn Sie hier in Wien über den Brunnenmarkt spazieren: Gefällt Ihnen, was Sie sehen?

Ates: Nein, nicht alles. Mir missfällt, wie sich muslimische Gemeinden nicht nur in Österreich, sondern weltweit entwickeln: Sie politisieren den Islam, stellen ihren Glauben provokant und fordernd zur Schau. Und sie bauen Parallelgesellschaften auf.

STANDARD: Das könnte man auch als multikulturelle Vielfalt auslegen.

Ates: Diese Multikulti-Haltung ist naiv. Ich habe nichts gegen Nischen in der Gesellschaft. Doch die Parallelgesellschaften, die ich meine, grenzen sich von der Mehrheit ab, verachten diese sogar. Einige in der muslimischen Gemeinschaft sind sehr aggressiv. Ohne Scheu sagen junge Muslime in Kameras, dass sie jenes Land, in dem sie leben, verachten, dass deutsche Frauen Schlampen seien und dass man Frauen aus Tradition schlagen dürfe. Da kann man nicht einfach sagen: Lasst sie mal machen!

STANDARD: Sprechen Sie da nicht von einer Minderheit?

Ates: Letztendlich ist es egal, wie viele es sind. Selbst wenn es sich um eine Minderheit handelt, ist sie stark genug, um die Mehrheit einzuschüchtern. So weit, dass man sich nicht mehr traut, über Zwangsheirat und Ehrenmorde offen zu reden.

STANDARD: Sind das nicht nur einzelne Extremfälle?

Ates: Nein, mehrere hundert Frauen lassen sich pro Jahr von einschlägigen Einrichtungen beraten. Seit 9/11 interessieren sich endlich auch die Medien dafür. Vor zehn Jahren war das kein Thema.

STANDARD: Man sieht aber viel mehr Zuwandererinnen in H&M-Kluft als mit Kopftuch.

Ates: Auch eine noch so modern gekleidete Frau kann irgendwann zwangsverheiratet werden. Das Äußere ist eher Schein als Sein. Und dass das Kopftuch, ein Symbol für den Vormarsch des politischen Islam, im Straßenbild zunimmt, kann man auch in Österreich nicht bestreiten.

STANDARD: Sind Sie für ein Kopftuchverbot?

Ates: Ja. In Kindergärten und Schulen darf es definitv kein Kopftuch geben, der Staat muss zumindest die Minderjährigen schützen. Ich würde es sogar an Unis verbieten.

STANDARD: Drängt man Muslime damit nicht erst recht ins Abseits?

Ates: Nein, da sprechen Erfahrungen in der islamischen Welt dagegen. Es gibt ja auch viele Muslime, die das Kopftuch nicht mehr für zeitgemäß halten. Man muss das aber selbstbewusst argumentieren: Es geht um Gleichberechtigung.

STANDARD: Warum schotten sich Muslime von einem System ab, das wir für so attraktiv halten?

Ates: Das westliche System ist ja auch attraktiv - für aufgeklärte Menschen. Sehr viele Muslime aber haben die sexuelle Revolution nicht erlebt, ihnen macht die Moderne Angst. Sie übernehmen nur jene Errungenschaften, die ihrem rückwärtsgewandten Weltbild nutzen - etwa um im Namen der Religionsfreiheit einen konservativen Islam zu etablieren.

STANDARD: Linksliberale sagen: Der Staat selbst grenze Muslime aus, weil er ihnen Rechte vorenthält.

Ates: Mit dem Argument ziehen sich Linke und Liberale gerne aus der Diskussion. Natürlich behindert der Staat mit unzureichenden Gesetzen und der Leugnung, ein Einwanderungsland zu sein, die Integration. Doch diese Sichtweise ist sehr einseitig. Gesetze allein werden das Problem nicht lösen.

STANDARD: Haben Sie das schon den österreichischen Grünen erklärt?

Ates: Ja, ich diskutiere immer wieder mit denen. Aber ich glaube, da kriegen viele Ausschlag, wenn sie mir zuhören. Nur: Vernünftige Lösung haben die Grünen hier keine - außer dass sie ständig auf die schlechten Gesetze schimpfen.

STANDARD: Was schlagen Sie stattdessen vor?

Ates: An der Oberfläche kratzen, ohne sich mit der Rassismuskeule prügeln zu lassen. Den Mut haben, zu sagen: Ich bin kein Rassist, will aber über Zwangsheiraten und Ehrenmorde reden. Mein Appell an die Linken und Liberalen: Nehmt den Rechten das Thema weg.

STANDARD: Haben Sie in Österreich eine Nachahmerin gefunden?

Ates: Nein, aber es sind einige auf dem Weg dorthin. Das hängt eben mit der Angst zusammen, das Thema könnte den hierzulande sehr starken Rechtspopulisten nutzen. Da muss die Gesellschaft mehr Courage zeigen. Österreich hinkt da noch hinterher. (Gerald John, DER STANDARD - Printausgabe, 25. April 2008)