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Mehr als 100.000 Schutzsuchende und Migranten überqueren pro Jahr ohne die nötigen Einreisebewilligungen das Mittelmeer, schätzt das International Centre on Migration Policy Development.

Foto: REUTERS/Anton Meres

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Wie viele Menschen bei ihren Versuchen, Europa zu erreichen, in den vergangenen zehn Jahren gestorben sind, ist schwer festzustellen. Die Zahlen reichen von 3.000 bis 25.000 Menschen

Foto: Reuters/Darrin Zammit Lupi

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Grenzwache in der Luft: Zwei italienische Beamte vor Kontrollschirmen in einem Flugzeug über der Küste Senegals

Foto: APA/ EPA/PIERRE HOLTZ

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Keine undokunmentierten Auswanderer, sondern Fischer, die an der Küste Senegals den Grenzbeamten aus Spanien zuwinken. (Februar 2007)

Foto: AP/Rebecca Blackwell

Wien/Frankfurt – Gefährliche Schiffspassagen, teure Überfahrten, zurückgelassene Verwandte und Freunde – jedes Jahr suchen tausende Menschen in Europa eine bessere Zukunft. Die Regierungen der EU-Staaten reagieren auf die Migration aus armen oder konfliktbeladenen Regionen mit immer restriktiveren Maßnahmen. Mauern und Zäune, strenge Einreise- und Asylgesetze sollen die Auswanderer von der Einreise abhalten.

Seit 2004 überwacht die EU-Agentur Frontex die Fluchtwege der Migranten. Die "Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen" unterstützt die Grenzschutzbehörden der EU-Staaten und der Verbündeten sowohl finanziell als auch technisch. Wegen der "Abschreckung" an den Außengrenzen, erwartet sich der bisher als EU-Justizkommissar amtierende Franco Frattini, dass die undokumentierte Einwanderung abnimmt.

Freiheit, Sicherheit und Recht durch Frontex?

Tatsächlich wird es für Flüchtlinge und Migranten immer schwieriger, über die "blaue Grenze" nach Europa zu kommen. „Denn viele Boote werden von Frontex bereits auf dem Meer zurückgewiesen“, betont Bernd Mesovic von der deutschen Stiftung Pro Asyl. „Dabei interessiert es die Agentur nicht im geringsten, ob es sich bei den Migranten um 'Armutsflüchtlinge' oder um 'Asylsuchende' handelt. Und das ist völkerrechtlich besonders bedenklich," sagt er im Gespräch mit derStandard.at. Die Anzahl derer, die im Sinne der Genfer Konvention als Flüchtlinge bezeichnet werden könnten, sei groß. „Über das westliche Mittelmeer kommen rund 30 bis 40 Prozent der Asylsuchenden, darunter besonders Afghanen und Iraker, die in einer Reihe von EU-Staaten eine gute Chance hätten, als Flüchtlinge anerkannt zu werden.

Von der Selbstdarstellung der EU-Grenzschutzangentur als „Rettungsunternehmen auf Hoher See“ hält Mesovic daher nichts. Zum einen, weil wesentlich mehr Menschen über die "grüne Grenze", den Landweg, in die EU kommen. Zum anderen, weil die Migranten nicht an sicheren Orten abgesetzt, sondern „weiter exportiert“ würden, “bis sie schlussendlich wieder in ihren Verfolgerstaaten landen.“

Libyen: Zentraler Partner der EU im Mittelmeerraum

Libyen ist einer der zentralen Posten der EU-Außengrenzen. Seit einigen Jahren verschärft das nordafrikanische Land seine Einreisebestimmungen und schiebt tausende Menschen in ihre Herkunftsländer ab. 53.842 Menschen wurden 2006 zurückgeschickt, das sind beinahe so viele, wie ein Jahr später in den libyschen Gefängnissen auf ihre Abschiebung warteten. Rund 60.000 Flüchtlinge und Migranten waren dort im Mai/Juni 2007 inhaftiert, wie eine EU-Delegation nach ihrem Besuch bei Gaddafi berichtet.

„Es ist schon schwierig genug, zu eruieren, was mit den Flüchtlingen passiert, wenn sie in weniger problematischen Drittstatten landen. Doch in Libyen ist die Situation total unüberschaubar", meint Mesovic. NGOs und staatliche Delegationen bekommen nur selten Zugang in die Lager. Die wenigen Berichte zeugen von katastrophalen Zustände in vielen Lagern: Bis zu 200 Menschen sind oft in nur einem Raum gefangen, darunter Familien mit Kleinkindern.

Neue Grenze geplant

Die Zusammenarbeit der EU mit Libyen geht trotz Kenntnis dieser Situation weiter. "Die Union hat es offenbar sehr eilig, in der Wüste des Landes eine überschaubare "braune Grenze" zu errichten," mutmaßt Mesovic. Dadurch wird sich die EU-Außengrenze vom Mittelmeer in den Süden Libyens verschieben. Was auch die traditionelle Mobilität der Ethnien zwischen den Maghreb-Staaten erschweren wird.

Im Gegenzug für die bilaterale Zusammenarbeit bietet die Europäische Union technische Ausrüstung und Know-how. Im Bericht der Delegation 2007 fertigte Libyen eine Wunschliste mit Geräten und Maschinen an, die es zur Erfüllung seiner Aufgaben als nötig erachtet: Kommandostände, Überwachungsradars, Nachtsichtgeräte, Fingerabdruck- und Bilderkennungssysteme, satellitengestützte Kommunikation, Navigationsgeräte, Lastwagen sowie Patrouillenboote. Und wie vor kurzem bekannt wurde, zählen auch Schulungen von privaten Militärfirmen aus Deutschland zu den Bedürfnissen Libyens. (derStandard.at berichtete.)

„Die deutsche Regierung gab im Zuge dessen bekannt, dass Frontex gegenüber nationalen Regierungen keine Berichtspflicht habe", kritisiert Mesovic die mangelnde Transparenz der EU-Grenzagentur. Aber auch der Einfluss und die Kontrolle des EU- Parlaments seien beschränkt. „Frontex führt fast ein Eigenleben. Was bei den Gesprächen in den Drittstaaten, was auf hoher See wirklich passiert, ist schwer kontrollierbar. Wie soll man unter diesen Umständen dafür sorgen, dass Menschenrechte eingehalten werden?“ (Christa Hager/derStandard.at, 29.4.2008)