Eine riesige Wolke mit Saharasand bewegt sich in Richtung Amerika. Früher einmal hat Staub in der Atmosphäre die Sonnenstrahlen abgehalten und so für Kühlung gesorgt. Gilt das auch heute?

Foto: Nasa
Forscher untersuchten Eisbohrkerne aus der Antarktis und stießen auf überraschend viel Staub. Der könnte dazu beitragen, dass sich das Klima - gestern wie heute - weniger stark erwärmt als gedacht.

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Die Bläschen im Eis sind Botschafter früherer Epochen. Fallender Schnee hat Luft in diesen Kapseln aus der Vorzeit eingeschlossen. Es sind Proben der Atmosphäre, die in den vergangenen Jahrhunderttausenden die Erde umhüllte. Die Blasen stecken in kilometerlangen Bohrkernen aus dem Eis der Antarktis.

Zwei neue Studien beschäftigen sich nun mit einer vernachlässigten Komponente der antiken Atmosphäre: dem Staub. Die Autoren weisen ihm größeren Einfluss auf das Klima zu als bisher gedacht - und ernten für ihren Vorstoß sogleich Widerspruch.

Ins Zentrum der Sorgen

Die Debatte ist kein akademischer Zwist um einen Klima-Faktor. Sie zielt ins Zentrum der augenblicklichen Sorgen. Es geht nämlich um die Frage, wie warm es auf der Erde werden könnte. Um aus dem Anstieg an Treibhausgasen wie Kohlendioxid eine Temperatur-Erhöhung zu berechnen, benötigen Wissenschafter einen Eichfaktor, die sogenannte Klimasensitivität.

Der Weltklimarat IPCC beziffert sie zurzeit auf 1,5 bis 4,5 Grad Celsius. So stark steigen voraussichtlich die globalen Temperaturen, sollte sich der CO2-Gehalt verdoppeln, also von den vorindustriellen 280 ppm (Teilchen pro Million Luftteilchen) auf 560 ppm ansteige. Zurzeit steht der Wert bei 385 ppm.

Dass die IPCC-Angabe so ungenau ist, liegt an einem Verstärkungsfaktor, den die Klimaforscher noch ungenügend verstehen. Eine Verdopplung des CO2-Gehalts allein würde den Planeten nur um etwa ein Grad erwärmen. Aber sie löst indirekt auch eine Steigerung der Dampfmenge aus, was wiederum den Treibhauseffekt steigert.

Die Folgen lassen sich weder am Schreibtisch berechnen noch im Labor messen. Darum greifen die Forscher auf die Eisbohrkerne zurück. Hier können sie die früheren CO2-Werte direkt ablesen. So lässt sich aus früheren Übergängen von Kalt- und Warmzeit die Klimasensitivität bestimmen.

Hier kommen nun die neuen Messungen am Staub ins Spiel. Im sogenannten Wostok-Bohrkern, der 420.000 Jahre in die Vergangenheit reicht, fand Ulrike Lohmann von der ETH Zürich weitaus mehr Staub in den Bläschen als erwartet. Besonders in den kalten Phasen der Erdgeschichte habe Staub in der Atmosphäre die Sonnenstrahlen von der Erde ferngehalten, berichtet Lohmann (Geophysical Research Letters, Bd. 35, S. L04804). Als sich die Luft nach der Eiszeit klärte, habe das wesentlich zur Erwärmung beigetragen.

Eine weitere Studie bestätigt die Ergebnisse zum Teil. Fabrice Lambert von der Universität Bern und seine Kollegen haben den Epica-Eiskern untersucht, dessen Eis am unteren Ende 800.000 Jahre alt ist (Nature, Bd. 452, S. 616).

Wenn also auch der Staub das Klima verändert hat, muss der Einfluss von Kohlendioxid und Wasserdampf auf das Klima geringer sein als vermutet, sagt Ulrike Lohmann. Sie berechnet daraus einen Wert von 1,8 Grad für die Klima-Sensitivität. Er liegt am unteren Rand der Bandbreite von 1,5 bis 4,5 Grad Erwärmung.

Hier beginnt nun der Zwist um die Interpretation der Ergebnisse: Gilt der Wert auch für die Zukunft? Fällt die Erwärmung der kommenden Jahrzehnte darum geringer aus? Entscheidend dafür ist die Herkunft des Staubs. Lohmann nimmt an, dass er aus den Tropen stammt, die in Kaltzeiten trocken waren, und dass er sich global verteilte. Andere Forscher vermuten, der Staub stamme aus Südamerika und habe nicht global gewirkt.

Wissen über Wasserdampf

Um den Streit zu schlichten, bräuchte es weitere Messwerte. Oder mehr Wissen über den Wasserdampf. Doch den Dampfgehalt in der Atmosphäre messen Satelliten erst seit 30 Jahren.

So verwirrend diese Debatte wirken, so einig sind sich die Forscher aber im Grundsatz: Das Freisetzen von Treibhausgasen erwärmt die Erde. Die Debatte geht nur darum, wie schnell das Thermometer steigen wird. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Printausgabe, 23.4.2008)