Gottlob hat sich das Christentum noch nicht "in den Kapitalismus umgewandelt". Nur ist es, wie Jakob dem Esau, stets sein (jüngerer) Zwillingsbruder gewesen. Dem römischen Kapitalismus der unproduktiven Sklavenhaltung und der in Rom versteigerten weltweiten Steuerpachten – die erste Form des freien Marktes ! - setzte die Urchristenheit die allgemeine Menschenwürde und einen Kommunismus des gemeinsamen Gütergebrauchs entgegen (der Chrästianer Apostelgeschichte 11,26) unter moralischer Ächtung, aber nicht Aufhebung des Privateigentums. Nach dem römischen Staatsbankrott triumphierte das Christentum in genossenschaftlichen Produktionsformen, die den Wucherzins ächteten, aber produktive Darlehen mit "Fruchtzinsen" bzw. Nutzniessungsrenten (usufructum) belohnten, die den Regeln des jüdischen Gnadenjahres, des geteilten Risikos und beidseitigen Nutzens (lat. inter-esse) entsprachen (Thomas von Aquin und Luthers Schriften wider den Wucher). Der versilberte Fruchtzins war ein arbeits- und ertrags-abhängiger Ernteanteil und nicht Ausdruck "unproduktiver" Naturalwirtschaft. Erst Dr. Eck, Theologe des Bankhauses Fugger (von Luther "Dreck" genannt) legitimierte einen Kapital-abhängigen Zinsfuss, sofern der Geldgeber seinen moralischen Fruchtzehnten gegen einen risikofrei zugesicherten "minderen" Zins (5 % des Pfandgutes) eintauschen dürfe. Für den kleinen Mann hieß das, "seine Arbeit einem andern verkaufen" (Zwingli). Für Calvin war der Zins von maximal 5 % nur ein Richtwert, der den Refugianten ein Grundeinkommen und notwendige Investitions- und Sozialfonds sichern sollte.
Protestantische Askese
Max Weber hat ganz recht gesehen, dass ohne diese "protestantische Askese" der kleinen und mittleren Unternehmen der moderne Kapitalismus nie auf einen grünen Zweig gekommen wäre, ja dass es der "autoritären" Doktrin Calvins (wie Bismarcks und Lenins !) bedurfte, um die zähen "antikapitalistischen" Bindungen der Frommen zu überwinden. Der Glaube an die unsichtbare Hand war bei Adam Smith von moralischen Überresten der Vorsehung genährt und erfüllte alle Merkmale einer neuprotestantischen Häresie (Karl Barth), deren Enthüllung durch W.Benjamin ich nicht widerspreche, außer, dass der in der Thora manifestierte Bundesgott nun durch das schlechthin Nichtige ersetzt ist: eines ohne verantwortliches Subjekt prozessierenden Kapitals, das den mörderischen Zugriff auf Erde und Menschen idolatrisch in "naturgegebenen" Faktorpreisen von Boden (Rente), Kapital (Zins) und Arbeit (Lohn) verhüllt (s. Karl Marx). So gesehen ist Karl Marx der letzte Scholastiker, Reformator und Prophet, der das verschleierte Wertgesetz von Grundschulden, Arbeit und Mehrwerten noch durchschaute.
Im Neoliberalismus werden auch die Gebote der intellektuellen Redlichkeit über den Haufen geworfen (als habe Marx eine "Arbeitskosten"-Lehre vertreten) und der Zins aus einem Tauschwarengeld hergeleitet (Milton Friedman), das jeder analytischen Vernunft bezüglich Zahlungsmitteln und der Geldschöpfung durch Grundpfänder, Gülten (Obligationen) und Bürgschaften spottet. Das Resultat haben wir heute sichtbar vor Augen. Mir bleibt fraglich, ob lokale Heilkuren des verfallenden Tauschwarengeldes (Gesell) oder globale der bastardkeynesianischen Negativzinspolitik (Greenspan) tragfähiger seien als die antizyklischen Preisbildungsregeln der Halljahresperiode, in der alle Grundschulden nach 50 Jahren verfallen (Leviticus 25), die noch im kommunalen Bodenrecht Helvetiens überwintern (befristete Bodenpachten des öffentlichen Baurechtes).
Diktat der national-globalen Sicherheit