Paris/Freiberg/Wien - Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt vor dramatischen Folgen der Ernährungskrise: "Es besteht die Gefahr von Kriegen, das Schlimmste liegt vielleicht noch vor uns", sagte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn am Freitag.

Die Menschen würden sich in Hungerrevolten gegen ihre Staatsführungen richten, sie brächten demokratisch gewählte Regierungen zu Fall wie jüngst auf Haiti. In der Geschichte gebe es viele Beispiele für Kriege, die wegen derartiger Probleme begonnen hätten. Die Welt müsse begreifen, dass die Krise extrem schwerwiegend sei. Der IWF-Chef rief zu einer Anhebung der Agrarproduktion auf, um die wachsende Nachfrage insbesondere in China und Indien decken zu können. Zugleich warnte er vor der "Versuchung des Protektionismus" der größten Nahrungsmittelproduzenten. Den am stärksten betroffenen Ländern stellte er Hilfe des IWF in Aussicht.

Merkel sieht SChuld auch in Entwicklungsländern

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt im Gegensatz zu Strauss-Kahn und vielen Entwicklungspolitikern der steigenden Biospritproduktion keine Mitschuld an der Preisexplosion bei Lebensmitteln. Ursache sei vor allem "eine sehr unzureichende Agrarpolitik in den Entwicklungsländern", sagte Merkel bei der Eröffnung der ersten Raffinerie für Biokraftstoffe der zweiten Generation.

Ein weiterer Grund sei die nicht ausreichend vorhergesagte Änderung der Ernährungsgewohnheiten in Schwellenländern. In Indien etwa nähmen inzwischen rund 300 Millionen Menschen eine zweite Mahlzeit am Tag ein, sagte Merkel. "Wenn die plötzlich doppelt so viele Nahrungsmittel verbrauchen, als sie das früher gemacht haben, und dann auch noch 100 Millionen Chinesen beginnen, Milch zu trinken, dann verzerren sich natürlich unsere gesamten Milchquoten und vieles andere", sagte die Kanzlerin.

Biosprit wird zusehends nicht nur wegen der Preiseffekte kritisiert, Experten bezweifeln auch einen Beitrag zum Klimaschutz. Wie der Wissenschafter Wilfried Winiwarter erhob, mache allein die Freisetzung des Treibhausgases Lachgas aus landwirtschaftlich genutzten Böden die Einsparung an fossilem CO2 durch Biosprit zunichte. (Reuters, AFP, red, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20.4.2008)