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Die Kamera sieht mit. Die Überwachung von Mitar-beitern hat im deutschen Einzelhandel offenbar System. Und sie beschränkt sich nicht immer nur auf die Kassa.

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Die Kamera sieht mit. Die Überwachung von Mitar-beitern hat im deutschen Einzelhandel offenbar System. Und sie beschränkt sich nicht immer nur auf die Kassa.

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Überwachung beim Diskonter Lidl durch das Magazin Stern muss jetzt auch Rewe einen Einsatz von Detektiven, die bis in die Privatsphäre der Mitarbeiter eindrangen, eingestehen. Auch bei Edeka, Plus, Norma, Netto, Hagebau und Famila sollen Detektive mitunter wahllos bespitzelt haben. In Österreich stellt der Einzelhandel derartige Praktiken vehement in Abrede. Die Beziehung der Detekteien zu den Ketten ist dennoch getrübt. Der Grund: die magere Bezahlung. Das Kaufhaus-Geschäft rentiere sich so gut wie gar nicht und ziehe Pfuscher an, sagt Werner Machacek, Präsident des Detektivverbands, dem Standard. Mit dem Preisdumping vieler Handelsunternehmen seien auch die Sitten verfallen. Dass Kollegen bei dem wenigen Geld Lust auf zusätzliche private Bespitzelungen hätten, könne er sich allerdings nicht vorstellen. Dem Handel sei gleichgültig, wer die Arbeit erledige, Hauptsache es sei billig, meint Bernhard Maier, Experte für die Überwachung von Mitarbeitern. "Die meisten Insolvenzen gibt es daher unter Kaufhausdetektiven." Dieser Job züchte schwarze Schafe heran, ist ein Kollege überzeugt. Und dass diese oft zweifelhafte Aufträge des mittleren Managements annehmen, das könne auch in Österreich passieren. Handelsmanager weisen das zurück. "Wir wären jedoch kein guter Kaufmann, würden wir nicht versuchen, unsere Kosten niedrig zu halten", heißt es aus der Wirtschaftskammer.

Schaden durch Ladendiebstahl

Sie schätzt den Schaden durch Ladendiebstahl auf jährlich 650 Mio. Euro. Die Dunkelziffer liegt deutlich darüber. Dafür verantwortlich seien zu je einem Drittel Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter. Maier und Machacek gehen hingegen von bis zu zwei Drittel aus, die auf das Konto krimineller Beschäftigter gehen. Rewe hat nun versprochen, Licht in die ganze Angelegenheit zu bringen. Für ihre Tochter in Österreich sei die Situation nicht gerade angenehm, sagt Konzernsprecherin Corinna Tinkler. Rewe schließe derartige Methoden in Österreich jedenfalls definitiv aus. Überwacht werde nur in Ausnahmefällen bei konkretem Verdacht auf Diebstahl – und nur in Absprache mit dem Betriebsrat. Dazu gebe es Vereinbarungen. Neben Lidl und Hofer sieht sich auch Norma Österreich nicht in die deutsche Bespitzelungsaffäre verwickelt. "Es gibt bei uns weder Kameras noch Attrappen", erläutert der Chef des Lebensmitteldiskonters, Thomas Janny, "denn das können und wollen wir uns nicht leisten."

"Kein Blankoscheck"

Gerüchte, wonach Lidl in Niederösterreich Detektive auf Mitarbeiter angesetzt hätte, haben sich nicht erhärtet, sagt Gewerkschafter Karl Proyer. Einen Blankoscheck stelle er den Handelsketten dennoch nicht aus. Die Praxis, dass Verkäufer Kunden auffordern müssten, ihre Taschen zu öffnen, sei rechtlich umstritten. Ebenso die Kontrolle von Mitarbeitern außerhalb der Filialen – das wurde bei Schlecker vor zwei Jahren beanstandet. An die Arbeiterkammer wurden in Österreich bisher keine Beschwerden über Bespitzelung in Supermärkten herangetragen, sagt Kurt Retzer, Leiter der Rechtsabteilung. Generell gelte: Kontrollen, die die Menschenwürde verletzen könnten, erfordern die Zustimmung des Betroffenen oder des Betriebsrates. Menschenwürde ließe sich aber breit interpretieren, dazu komme Sorge um den Job. Österreichs Detekteien – es sind laut Arthur Armin Häfele, Verbandschef in der Wirtschaftskammer, gut 400 – bemühen sich lieber um lukrativere Branchen. Ihre Aufträge zielen mittlerweile vor allem auf die Ausforschung von Simulanten, Schuldnern und Pfuschern ab. Auch das Durchchecken künftiger Mitarbeiter für gehobene Positionen ist im Kommen. Die Stundenentgelte liegen bei 50 bis 100 Euro. Klar an Kraft verloren hat der einstige Geschäftsmotor: die Überwachung untreuer Ehepartner. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.4.2008)