Gesellschaftliche Verantwortung
Bei Kreisky nicht zuletzt deshalb, weil er sich aufgrund seiner jüdischen Herkunft immer der Forderung ausgesetzt sah, besonders deutlich zu einer österreichischen Identität und zur österreichischen Nation Stellung zu nehmen. "Kreisky hat die tatsächlich Schuldigen zwar sehr wohl namhaft gemacht, hat eine gesellschaftliche Verantwortung für die Verbrechen der NS-Zeit aber nie artikuliert", so Katrin Stögner, Autorin der Kapitel zu Kreisky, "das unterscheidet ihn allerdings nicht von anderen Funktionsträgern seiner Zeit."
Kreisky habe dadurch viel zur Gründung einer "neuen österreichischen Identität und ein österreichisches Nationalgefühl" beigetragen, dass er stets versucht habe, eine Versöhnung anzustreben ohne allerdings eine kollektive Schuld zu beleuchten. Er habe damit auch zur Bildung eines allgemeinen Opfermythos beigetragen. Erst im Zuge der Waldheimaffäre, fast 40 Jahre nach dem Ende des Krieges begann dieser Mythos aufzubrechen.
Beleuchtet und analysiert wird auch Kreiskys Rolle im Nahostkonflikt, in dem er eine starke propalästinensische Haltung und eine Vorreiterrolle mit der Anerkennung der PLO und Arafats einnahm.
Jörg Haider
Da die politische Biografie von Jörg Haider ebenfalls stark von seiner - deutschnationalen - Herkunftsfamilie und von der Kriegsgeneration geprägt war, liegt es nur nahe, den Vergangenheitsdiskurs am anderen Ende des politischen Spektrums anhand seiner Person zu illustrieren.
Sobald Haider auf Vergangenheitspolitik angesprochen worden wäre, seien deutschnationale Codes kontinuierlich durchgebrochen, erläutert Hubert Sickinger. Auch die Ortstafelfrage passe in dieses Bild des Deutschnationalisten. Erläutert wird unter anderem der Wandel von Haiders Deutschnationalismus in einen Österreichpatriotismus, Haider habe aber immer darauf Bedacht genommen, Österreich nicht als „Nation“ zu bezeichnen, so Sickinger zu derStandard.at. Es gebe zum Beispiel keinen Beleg, dass Haider den Ausdruck "Nationalfeiertag" verwendet habe, er verwende stets den Begriff „Staatsfeiertag“. Ein Code, der vom Adressaten verstanden wird. In direkter Linie Haiders sieht Sickinger Heinz Christian Strache. Aussagen über die aktuelle Situation trifft das vorliegende Buch aber kaum und beschränkt sich bewusst auf die Reflexion der Ereignisse der Vergangenheit. (red)