Frank Spilker Gruppe: "Mit All Den Leuten" (Staatsakt/Hoanzl)

Foto: Staatsakt
Spilker führt den deutschen Diskurspop der Hamburger Schule um seine Stammband Die Sterne oder Kollegen wie die Goldenen Zitronen dabei zu einer neuen, ungeahnten Lockerheit.


Frank Spilker ist nicht nur ein Baum von einem Mann. Mit seiner Stammband "Die Sterne" sorgt der Hamburger auch dafür, dass sich der deutschsprachige Raum seit langen Jahren auch mit einer Indie-Musik locker macht, die nicht nur fest im Rock'n'Roll wurzelt. Auch Funk und Soul werden von den Sternen und ihrem freundlich nasal und ohne pädagogischen Zeigefinger auf die Stimmbänder gedrückt vortragenden Songwriter seit 1992 regelmäßig ins diskursive Geschehen geworfen. Dabei vertraut Spilker im Gegensatz zu den assoziierten Hamburger Kollegen Goldene Zitronen oder den verblichenen Blumfeld um Spilkers Sandkistenfreund Jochen Distelmeyer weniger auf strenge Rationalität und den konsequenten Drang, Proseminare zum Tanzen zu bringen. Als eilige Laufkundschaft lassen sich Frank Spilkers Lieder auch ganz ohne intellektuelle Vorarbeiten vorbehaltlos genießen. Man erinnere sich nur an große, noch heute gültige Songs wie Fickt Das System, Universal Tellerwäscher, Was Hat Dich Bloß So Ruiniert?, Abstrakt oder Die Interessanten und die Alben Von Allen Gedanken Schätze Ich Doch Am Meisten Die Interessanten, Posen oder Räuber Und Gedärm.

Nachdem Die Sterne nun schon länger eine Kreativpause eingelegt haben, man aber einen alten Zirkusgaul nichts so ohne weiteres in den Stall stellen kann, versammelt Spilker nun auf seinem Solodebüt nicht nur ältere Stücke aus den Schubladen seiner Schreibwerkstatt. Mit Matthias Strzoda am Schlagzeug (Studio Braun, JaKönigJa) und Max Knoth an Bass und Gitarre (Mobylettes) und Gästen wie Gitarrist Uwe Jahnke (S.Y.P.H., Fehlfarben), Michael Mühlhaus (Blumfeld) oder Sängerin Masha Qrella (Contriva, Mina) versucht er sich als Frank Spilker.Gruppe mit dem Album Mit All Den Leuten auch an einer zarten Neuausrichtung seines Songschaffens. Frank Spilker vertraut dabei zwar nach wie vor mehr auf stürmenden und drängenden Soul- und Funkrhythmus denn auf harmonisch abgemilderte Melodienseligkeit wie sie seit Jahr und Tag von Großbritanniens weißen Kalkküsten herüberweht. Allerdings bedeutet Neuausrichtung im konkreten Fall auch neue Einfachheit. Neue Lieder wie das fantastische Ich Geh' Gebückt (Man macht, was man macht und man macht schon was mit / Du gehst wie Du gehst - Ich geh' gebückt.") oder der faule Septakkord-Schlurfer Der Mond Und Ich ("Erst schuf Gott den Mann, dann schuf er die Frauen / Als er sah, was kommen würde, ist er abgehauen.") deuten weiters daraufhin, dass Spilker seine Texte als Alleinherrscher über sein Reich nicht länger erst mit der Band diskutieren muss, bevor sie auf Tonträger festgehalten werden. Hier spielt sich einer auch vom Ernst frei und lässt die Zügel lyrisch locker.

Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass er sich nun auch ganz bewusst auf einen möglicherweise nicht ganz in korrektem Englisch gesungenen, an Morrissey und The Smiths angelehnten Song wie Me Only einlässt. Lachende Gesichter im Publikum sind für den ausführenden Künstler allemal angenehmer anzuschauen als kritisch geworfene Stirnfalten. Wie heißt es im darauffolgenden Besinnungslosigkeitswalzer Kommt Alle Her bärbeißig: "Gekränkte Gestalten zu mir, gierige Herzen, Malaisen und Schmerzen: Kommt alle her!"

Nach einem umjubelten Geheimkonzert der Frank Spilker.Gruppe im Wiener Chelsea Anfang April wird der gute Mann heuer einstweilen nur noch einmal live in Österreich zu erleben sein, am 1. August beim Poolbar-Festival im vorarlbergischen Feldkirch. Hier herrscht seitens heimischer Veranstalter dringlicher Handlungsbedarf! Damit man diesen hässlichen Begriff auch einmal verwendet: Mit All Den Leuten ist der lässigste Deutschrock seit Jahren! (Christian Schachinger/ DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.4.2008)