Rudolf van der Meer entnimmt der Lade, die in den Sockel eingearbeitet ist Bürsten und Lappen, reiht auf zwei Mahagonitischchen links und rechts von seiner Sitzbank Bürsten und Dosen mit Schuhcreme aneinander, drapiert Lederschuhe, Holzschuhstrecker und Stiefelknecht rund um den Lederthron. Hier ist der Kunde König und van der Meer der königliche Schuhputzer.
Nobless oblige
Der Leitspruch ist van der Meer ins Blut übergegangen: früher einmal war er Personenschützer, dann Butler. "Bei Herrschaften aus dem Adel", wie er sagt. Eine Baronin habe den Deutschen mit nach Österreich genommen, wo ihn eine Herrschaft zur nächsten delegiert habe. Den Namen der Adeligen verrät er freilich nicht. Das geziemt sich in einem solchen Beruf nicht. Als Rudolf van der Meer schließlich arbeitslos wurde, besann er sich eines seiner Talente: Schuhe putzen. "Darin war ich immer schon gut", sagt der 56-Jährige dessen Schnauzbart zu zwei kleinen Sechsern gezwirbelt ist.
Vergangenen Sommer ließ er sich von einem Tischlermeister im Erzgebirge den Lederthron bauen. Seither tingelt er, der ursprünglich aus Markwart bei Potsdam, südwestlich von Berlin stammt mit seinem Kastenwagen von Fachmesse zu Golfplatz, zu Hotel, zu Turnier. Er und seine drei Kisten, die jeweils an die 70 Kilo wiegen und in denen er seinen Thron in Einzelteile zerlegt verstaut. Ab 4,50 Euro ist eine professionelle Schuhpolitur zu haben.
Die richtige Mischung
Wenn Rudolf van der Meer über Politur- und Farbmischungen fachsimpelt, meint man einen Maler vor sich zu haben. Einmal, erzählt er, habe er auf einem Flughafen Schuhe geputzt. Ein junges Mädchen mit wunderschönen braunen Lederstiefeln habe auf dem Stuhl Platz genommen. Und van der Meer begann die Stiefel mit blauer, grüner und roter Schuhcreme zu bearbeiten. Umherstehende Männer in genagelten Schuhen spöttelten. Das Mädchen verzog keine Miene. Letztendlich hätten die Stiefel gestrahlt wie nie zuvor, die Männer anerkennend Beifall geklatscht. "Dann habe ich das Mädchen gefragt, wieso sie beim Anblick der bunten Schuhcremen ruhig geblieben sei", erzählt van der Meer. "Sie sei Kunststudentin war die Antwort. Da war mir alles klar".