"Grand Openings", 2005 - 2007

Foto: Mumok

Wien - Das Peinliche ist fallweise ein wichtiger sozialer Regulator. Wo es fehlt, nimmt Schamlosigkeit seinen Raum ein. Und die Frage nach falscher oder berechtigter Scham ist mit der nach gesellschaftlichen Freiheiten verbunden. Kunst genießt eine - strikt geregelte - Freiheit. Die Benimmregeln bilden auch den Grundtenor des Projekts "Nichts ist aufregend. Nichts ist sexy. Nichts ist nicht peinlich", das von Mumok und Tanzquartier Wien bis zum Ende der Woche gemeinsam veranstaltet wird.

In Performances, Lectures und Diskussionen sollen einige Ausmaße des Beschämenden ergründet werden. Und das eben auf Basis des Diktums von Andy Warhol, dass eben gerade "Nichts" aufregend, sexy und unpeinlich sei. Davon lebt ja auch die Verhaltensmaske der Coolness, die unter Künstlern und Jugendlichen zur elektrisierenden Konvention geworden ist. Es bildet den Gegenpol zu jener Hysterie, die mit der Performance von Empfindsamkeit einhergehen kann.

Dabei scheint uncoole Kunst wieder gefragt - aber nur dann, wenn mit ihrem Vortrag eine erkennbare Souveränität verbunden ist, wie bei der Eröffnungsperformance zu sehen war. Unter dem Label "Grand Opening" hüllten sich Künstlerinnen und Künstler in durchscheinende Schürzchen und betraten mit Begeisterung das No-Go-Terrain. Ganz schlimm tanzend grenzwertige Text-emanationen sprechend, entsetzlich singend und die Pein des Scheiterns an die Wand malend, wuselten die Darsteller durch das Publikum.

Peinlich sind Romantik, Manifest, Ikea-Papierlampe und alles, was Unvermögen repräsentiert. So funkte die Performance mit dem Titel Carrier Waves auf allen Trägerfrequenzen das "Mayday" einer sich am Outen und Kaschieren ihrer Desaster delektierenden Gesellschaft. Ei Arakawa, Jutta Koether, Jay Sanders, Emily Sundblad und Stefan Tcherepnin suchten sich Komplizen auf ihrem aberwitzigen Trip durch ein wahres Referenz-Metropolis, der schamlos, hart an der Grenze zur Parodie verlief. Das war recht cool. (Helmut Ploebst / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.4.2008)