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Rosa Hase von Gelatin

Foto: APA/AP/Gelatin

Österreich Halle auf der Expo2000 in Hannover von Peter Kogler

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Keine andere Stadt in Europa hat so viele Plakatwände wie Wien. Überall stehen und rollen laute Werbebotschaften, die unsere Aufmerksamkeit fesseln wollen. Zwischen all die grinsenden Models und glänzenden Dosen mogelten sich dann vor ein paar Jahren plötzlich lauter bunte Bahnen. In völliger Verweigerung jeglichen Abbildes hatte Gerwald Rockenschaub ein Modulsystem mit sieben puren Farben entworfen. Nur das kleine Austrian-Airlines-Logo oben in der Ecke gab den Hinweis, dass hier ein Sponsor beteiligt war.

Es war ein Projekt von "museum in progress", dem Wiener Kunstverein, der seit 1990 Plakatflächen und Tageszeitungen, das Radio und auch den eisernen Vorhang in der Staatsoper als zeitgemäße Ausstellungsräume für Kunst nutzt. Das Monopol der Museen ist aufgebrochen. Kunst, das wurde mit den monochromen Plakaten deutlich, kann überall stattfinden.

Ob als großangelegte Ausstellung wie die "Skulptur Projekte Münster" oder in der holländischen Grenzstadt Sonsbeek seit den 70ern, als kontinuierliche Förderung von Einzelbeiträgen im Rahmen von "Niederösterreich Kultur - Kunst im öffentlichen Raum" seit den 80ern oder seit Ende 2003 als Imageprojekt der Wiener Stadtregierung - die Kunst sucht die Öffentlichkeit. Heinz Gappmayrs Raumtexte in der Hauptbibliothek am Gürtel, Ken Lums Installation mit zählbaren Tatsachen in der West-Passage des Karlsplatzes, Heimo Zobernigs Kugelskulptur am Käferberg in Langenlois sind nur wenige Beispiele, wo wir unverhofft Kunstwerken begegnen.

Öffentlich - nicht Außenraum

All diese Projekte laufen unter der Bezeichnung "Kunst im öffentlichen Raum". "Öffentlich" allerdings ist nicht identisch mit "Außenraum". Dann würden ja auch all die Reiterstatuen, Brunnen und Denkmäler dazugehören. Aber genau dagegen grenzt sich dieses Programm ab. "Öffentlich" ist keine räumliche Kategorie, sondern eine gedankliche Konstruktion, ja eine Anspruchshaltung: "Öffentlich", das heißt eine Sphäre der Kritik, der Diskussion, der Beteiligung. Öffentlichkeit ist nicht per se vorhanden, sondern muss hergestellt werden. Anders als der architektonische Raum sind die Koordinaten nicht Lage und Funktion, auch nicht die Besitzverhältnisse, sondern der kulturelle Kontext. Im 17. Jahrhundert wird "öffentlich" mit dem Gemeinwohl einer Gesellschaft gleichgesetzt, während "privat" "privilegiert", später dann "geheim" bedeutet.

In der Kunst geht damit heute eine Anspruchshaltung einher, die den sozialen, historischen und architektonischen Umraum des jeweiligen Ortes thematisiert. Es sind Werke, die nicht einfach abgestellt sind wie die Henry-Moore-Skulptur im Brunnen vor der Karlskirche, die den Stadtraum nicht möblieren, sondern unsere Wahrnehmung von Stadt, von Öffentlichkeit, von unserem Lebensraum ändern. Es sind auch nicht Werke der sogenannten "Kunst am Bau"-Verordnung, die von der Architektur vorgegebene Orte bespielen darf. Diese sieht vor, dass ein Prozent der Bausumme von Neu- oder Umbauten des Bundes für dauerhafte Kunstwerke verwendet werden muss. Im "Dritten Reich" ausschließlich für Propagandazwecke missbraucht, geriet diese eigentlich begrüßenswerte Regelung anschließend für Jahrzehnte ins Abseits der Belanglosigkeit und erholt sich davon erst seit kurzem wieder.

"Legen Sie sich unter einen Baum, als ob Sie heruntergefallen wären", forderte uns Erwin Wurm auf einer gelben Signaltafel im Resselpark auf. Es war eine der "100 Handlungsanweisungen" im Rahmen des Kunsthalle-Wien-Projekts, und Wurm schlug uns vor, unseren beiläufigen Alltag für einen dramatischen Moment zu unterbrechen - und sei es nur als kurzer Gedankenausflug. Hier, in diesem Reich der Vorstellungen und Wünsche, ist auch der öffentliche Raum, an dem nichts konkret gestaltet wird, sondern etwas passiert. Das kann ein Konflikt sein, eine Erfahrung, ein Widerspruch oder ein Aufatmen wie damals Rockenschaubs monochrome Farbflächen. "Der eigentliche öffentliche Raum", so formulierte es Thomas Schütte einmal treffend, "ist in den Köpfen und zwischen ihnen." (Sabine B. Vogel/Der Standard/rondo/11/04/2008)