Mandriva Linux 2008 Spring

Einst von vielen als "die" Desktop-Distribution schlechthin gefeiert, musste Mandriva in den vergangenen Jahren einige deutliche Rückschläge hinnehmen. Auch wenn man die finanziellen Schwierigkeiten, in denen sich das französische Unternehmen hinter dem Projekt zwischenzeitlich befand, mittlerweile längst hinter sich gelassen zu haben scheint, so kann man mit der Popularität von Ubuntu und Co. nicht mehr wirklich mithalten.

Neu

Ein Umstand, mit dem man sich freilich nicht einfach so abgeben will: Unter dem Namen Mandriva Linux 2008 Spring hat man vor kurzem eine frische Ausgabe der eigenen Software zum Download bereitgestellt, die neue BenutzerInnen für die eigene Software begeistern soll.

Auswahl

Die Distribution ist dabei in unterschiedlichsten Ausführungen zu haben: Unter dem Namen "Mandriva Linux One" gibt es installierbare Live-CDs, wahlweise für den GNOME- oder KDE-Desktop. Alternativ dazu gibt es mit der "Free Edition" eine DVD-Ausgabe, auf der beinahe der gesamte Software-Pool von Mandriva enthalten ist. Allerdings nur beinahe. Denn proprietäre Software oder Treiber - wie sie bei "One" dabei sind, sucht man hier vergebens.

Kommerziell

Das "Rundum-Sorglos-Paket" stellt dann die Powerpack Edition dar, die noch zusätzliche Audio- und Videocodecs enthält, sowie das kommerzielle Transgaming Cedega, um Windows-Spiele zum Laufen zu bringen und Googles Bildverwaltung Picasa. Ein kommerzieller DVD-Player, wie in früheren Releases, ist hingegen nicht mehr dabei. Das Powerpack ist im Gegensatz zu den anderen Ausführungen nicht kostenlos, zwischen 49 (Download-Version) und 69 Euro (Box mit Handbüchern) fallen hier an. Dafür sind dann aber auch 3 Monate Support enthalten.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Unterschiede

Die Installation von DVD oder CD unterscheidet sich dabei nur marginal, alle Einzelschritte sind hier wie da die selben. Lediglich die "Stückelung" ist eine etwas andere. Während bei der DVD alles "in einem Rutsch" geht, sind bei der CD die Nachfragen auf den Start der Live-CD, nach dem Einspielen der Pakete und beim ersten Start ins neue System aufgeteilt.

Install

Prinzipiell gibt es am Mandriva-Installer allerdings wenig auszusetzen. Immer schon eine der Stärken der Distribution, hat man das Ganze in den letzten Jahren weiter vereinfacht und auf die notwendigsten Schritte reduziert. Äußerst übersichtlich dabei das eigene Tool zur Partitionierung der Festplatte - so man das denn nicht gleich den Installer automatisch vornehmen lässt.

Partition

Kleinere Mängel finden sich allerdings auch hier. Eine einfach Gesamtsystem-Verschlüsselung mithilfe des Logical Volume Managers - wie sie etwa die kommende Fedora bietet - sucht man hier vergebens. Auch dass man eine Partition erst löschen und wieder neu anlegen muss, um das Dateisystem zu ändern, ist keine sonderlich komfortable Lösung.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Desktops

Stand bei Mandriva jahrelang vor allem der KDE-Desktop im Vordergrund, so streichen die EntwicklerInnen seit einiger Zeit die eigene Multi-Desktop-Strategie hervor. Entsprechend stehen im Installer GNOME und KDE als gleichberechtigte Optionen nebeneinander.

Aktualitätsfragen

Während man sich beim GNOME mit der vor kurzem freigegebenen Release 2.22 topaktuell gibt, ist man beim KDE etwas vorsichtiger: Der KDE4 steht bei der Installation noch nicht zur Verfügung, statt dessen gibt es die aktuellste stabile Version (3.5.9) der alten KDE-Reihe.

Auswahl

Angesichts des an vielen Ecken doch noch recht unfertigen Zustands von KDE4 wohl eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung. Wer den KDE4 trotzdem ausprobieren will, kann dies bei Mandriva auch: Über das Paket "task-kde4" kann die neue Desktop-Version später nachinstalliert werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Konfiguration

Wer will kann bei der Installation auch gleich externe Paketquellen (weiter DVDs/CDs oder Netzwerk-Server) hinzufügen. Auch eine individuelle Anpassung der Paketauswahl ist leicht möglich, hier kann man sich dann auch für andere Desktop-Oberflächen - wie Xfce 4.2.2 - entscheiden.

Boot

Nach dem Aufspielen der diversen Systemkomponenten folgen dann noch einige kleinere Konfigurationsschritte, etwa zum Einrichten eines Bootloaders, der in der neuen Version nun auch endlich andere Linux-Installationen richtig erkennt und einbindet.

Zweifel

Alles recht einfach zu erledigen, einzig die Frage wozu es der Angabe von getrennten Zeitzonen und Regions-Einstellungen bedarf, wo doch relativ einfach vom einen auf das andere geschlossen werden könnte, bleibt offen. Detail am Rande: Österreich ist mittlerweile in die versteckte Liste der "Other Countries" im Installer abgerutscht.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Registration

Vor dem ersten Start ins neue System will die Distribution die BenutzerInnen von den Vorteilen einer offiziellen Registrierung überzeugen. Der "First Time Client" lockt dabei mit einem kostenlosen Zugang zur Mandriva-ExpertInnen-Community, wer diesen nicht benötigt, kann die Registrations-Aufforderung aber auch einfach wegklicken. Dies gilt freilich nicht für die BesitzerInnen der Powerpack-Ausgabe, die hier ihre zusätzlichen Services "freischalten".

Kernel

Vielleicht noch ein paar Worte zur Softwareausstattung von Mandriva Linux 2008 Spring: Der Kernel ist in der Version 2.6.24 enthalten, allerdings hat Mandriva hier die eine oder andere spezifische Änderung vorgenommen. So wurde etwa das ALSA-Sound-Subsystem mit einer neueren - und flotteren - Version ausgetauscht.

Virtuell

Auch bietet der Mandriva-Kernel von Haus aus Unterstützung für die Virtualisierungstechnologie Xen sowie die Sicherheitssoftware AppArmor. Besonders stolz ist man auch darauf, dass die neue Mandriva-Ausgabe ohne weitere Modifikationen auf einem Asus EeePC läuft. Wer will kann das dort eingesetzte Linux-System, also auch durch die neue Release der Distribution ersetzen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Angebot

Der KDE 3.5.9 von Mandriva weist wenig wirklich große Überraschungen auf, von Haus aus entspricht er weitgehend dem Default-Softwareangebot des Desktop-Projekts. Nett allerdings, dass die BenutzerInnen leicht zwischen dem herkömmlichen hierarchischen Menü und dem auch in KDE4 eingesetzten "KickOff"-Starter mit integrierter Suche wechseln können. Ein Rechtsklick auf den Menüknopf offenbart diese Auswahl.

Menü

Zwischendrin sei mal wieder ein kleiner Exkurs erlaubt: Gerade für AnfängerInnen wäre es wirklich hilfreich, wenn Menüeinträge sinnvolle Informationen bieten würden, mit kryptischen Bezeichnungen a la "KNode" oder "KRandRTray" werden wohl nur die wenigsten NeueinsteigerInnen etwas anfangen zu wissen. Dass gefühlte 90 Prozent der Programme mit einem "K" beginnen trägt auch nicht gerade zur Übersichtlichkeit bei. Erwähnt sei allerdings auch, dass diese Situation bei "KickOff" deutlich besser ist, das die Programm-Typen-Beschreibung in den Vordergrund stellt.

Software

Bei der Default-Auswahl des KDE-Desktops fällt auf, dass sich hier doch einige GNOME-Programme eingeschlichen haben. Während dies bei der Bildbearbeitung GIMP noch leicht nachvollziehbar ist, so verwundert doch etwas, dass neben dem KDE-Media Player Kaffeine auch das GNOME-Pendant Totem auf die Platte wandert. Auch der VoIP-Client Ekiga ist von Haus aus installiert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Office

Eine weitere zentrale Komponente von Mandriva Linux 2008.1 ist OpenOffice.org 2.4.0. Die freie Office-Suite ist dabei um die eine oder andere Funktion gegenüber der "offiziellen" Ausgabe erweitert, etwa um OpenGL-Animationen für das Präsentations-Programm Impress. Eine von Novell entwickelte Funktion, die Mandriva aber nun vor der Konkurrenz ausliefert.

Angebot

Was sich nicht in der Basisausstattung der Distribution befindet, ist meist in den externen Softwarequellen von Mandriva zu finden. Mit 2008.1 sind wieder einige interessante frische Pakete in das Angebot aufgenommen worden, die sich auf Wunsch nachinstallieren lassen. Dazu gehören etwa das Media Center Elisa, das Synchronisations-Tool Conduit oder der freie Internet-TV-Player Miro.

Pakete

Das Paketmanagement übernimmt bei Mandriva mit rpmdrake ein hauseigenes Tool. Dieses wurde in der neuen Release stark überarbeitet, so geht es nun nicht nur flotter zu Werke, sondern zeigt auch vorab die Größe der herunterzuladenden Pakete an. Von Haus aus werden hier jetzt auch nur mehr jene Pakete angezeigt, die ein grafisches Interface haben, eine Änderung die vor allem AnfängerInnen die Suche nach neuen Programmen vereinfachen soll.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ärger

Die schönsten Verbesserungen bringen freilich wenig, wenn Mandriva bei der Struktur im Hintergrund patzt. So gab es bei der Linux-Distribution in den ersten Tagen nach der Veröffentlichung erhebliche Probleme mit den Update-Servern. Heißt: Diese waren schlicht noch nicht auf die neue Release vorbereitet, die nötigen Pakete noch nicht auf den Spiegelservern verbreitet.

Ausbessern

Probleme, die beim Verkaufsstart des Powerpacks in den Läden wohl schon beseitigt sein werden, trotzdem darf so etwas schlicht nicht passieren. Immerhin werden hier gerade jene "Early Adopter", die bei der Fehlersuche oft eine entscheidende Rolle spielen, für ihr Interesse "bestraft".

Center

Wenn dann mal alles im Hintergrund passt, gibt es an rpmdrake allerdings wenig auszusetzen. Die Software ist übrigens Teil des Mandriva Control Centers, des zentralen Einstellungsprogramms der Distribution.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Kontrollzentrum

In diesem vereint der Hersteller eine Vielzahl von Tools, die bei allen erdenklichen Aufgaben rund um ein Linux-System helfen sollen. Dies reicht von der Einrichtung einer persönlichen Firewall bis zur Wahl eines eigene Bootsplash-Themes.

Schutz

Mit Mandriva 2008 Spring ist hier eine neue Komponente zur "Kindersicherung" des Systems hinzugekommen. Im Moment besteht dies primär aus der Möglichkeit Black- und Whitelists für einzelne Webseiten festzulegen.

Tool

Das Mandriva Control Center ist zweifelsfrei ein sehr gelungenes Powertool für den Desktop-Alltag. Ob man solche Programme mag oder nicht, ist aber ohnehin primär eine Frage der persönlichen Präferenz, gerade für EinsteigerInnen ist eine entsprechende Lösung aber wohl sehr hilfreich.

Screenshot: Andreas Proschofsky

GNOME

Neben dem KDE gibt es bei Mandriva Linux 2008 Spring auch den GNOME, eine Wahl die in der aktuellen Ausgabe auch eine echte Alternative darstellt. Hatte man den GNOME in früheren Zeiten bei Mandriva eher stiefmütterliche behandelt, gibt es hier mittlerweile recht wenig auszusetzen.

Inkonsistenzen

Ein paar Details verwundern dann aber doch. Etwa warum das ganze Administrationsmenü unter Tools > System Tools gedoppelt wird. Der Desktop-Integration hätte es wohl auch besser angestanden, statt dem mitgelieferten TightVNC den seit der letzten Release offiziellen GNOME-Bestandteil Vinagre mit auszuliefern.

Software

Bei neuen Anwendungen folgt man weitgehend dem Trend bei anderen aktuellen Distributionen: Als Bittorrent-Client hat man nun Transmission mit dabei, Brasero kümmert sich um all die Brennaufgaben für die der einfach gehaltene Nautilus-CD-Burner nicht ausreicht. Statt GNUCash ist nun HomeBank für die alltäglichen Finanzaufgaben zuständig (unter KDE: KMyMoney).

Screenshot: Andreas Proschofsky

Look

Mit der neuen Version hat Mandriva auch eine grundlegenden optische Überarbeitung erfahren, vom Splash-Screen bis zu den beiden Desktops kann dieses Unterfangen durchaus als erfolgreich bezeichnet werden. Vor allem die Vereinheitlichung des Looks zwischen KDE und GNOME-Anwendungen beherrscht Mandriva wirklich gut.

PulseAudio

Eine frische Komponente in der neuen Mandriva-Release stellt PulseAudio dar. Und zwar in beiden Desktop-Umgebungen: Der aus der GNOME-Ecke kommende Sound Server bietet eine Vielzahl fortgeschrittener Funktionen, die die Audio-Fähigkeiten der Distribution auch unter dem KDE erheblich aufpolieren.

Verschieben

So lassen sich damit etwa Audio-Streams im laufenden Zustand von einem Ausgabegerät auf ein anderes verschoben werden, dies funktioniert sogar über das Netzwerk. Konkret bedeutet dies dann etwa, dass man am eigenen Rechner im Arbeitszimmer Musik hört und beim Wechsel ins Wohnzimmer einfach den Stream auf den dortigen Rechner verschiebt, auf dem dann die Wiedergabe nahtlos fortgesetzt wird.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Verbindung

Mit DrakConnect hat Mandriva auch ein eigenes Tool zur Konfiguration der Netzwerkverbindung im Angebot. In der aktuellsten Ausgabe kann dieses nun wieder zuverlässig mit dem ndiswrapper, der Windows-Treiber unter Linux zum Einsatz bringen kann, umgehen. Etwas, das in der letzten Release leider keine Selbstverständlichkeit war.

WPA-EAP

Auch ist für die Konfiguration von ndiswrapper nun keine manuelle Ausbesserung von Konfigurationsdateien mehr notwendig, alles sollte automatisch funktionieren. Zusätzlich unterstützt DrakConnect nun WPA-EAP für drahtlose Netzwerke.

NetworkManager

Für die Zukunft bliebe wohl trotzdem zu hoffen, dass auch Mandriva auf den NetworkManager umstellt, vor allem da mit dessen kommender Version 0.7 praktisch alle daran kritisierten Probleme - etwa das Fehlen einer systemweiten Konfiguration - ausgeräumt werden. Und das Einigen auf eine Lösung bei allen Distributionen kann hier wohl nur von Vorteil sein.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Vermischtes

Wie bereits zuvor erwähnt, kann bei Mandriva Linux 2008 Spring auch der KDE4 nachinstalliert werden. Dieser wird dabei glücklicherweise parallel zu einem vorhandenen Desktop eingerichtet, in seiner aktuellen Release ist die neue Desktop-Generation schlicht noch nicht alltagstauglich.

Mix

Ein paar vermischte Notizen: Die Desktop-Suche Beagle wird sowohl unter KDE als auch unter GNOME von Haus aus gestartet. Mit Codeina hat man eine Anwendung integriert, mit der sich Codes aus dem Webshop des GStreamer-Entwicklers Fluendo nachinstallieren lassen - allerdings nicht alle kostenlos. Verbessert wurde in "Spring" die Synchronisation mit mobilen Geräten, etwa mit dem Blackberry oder Windows Mobile Devices.

Umstieg

Für Windows-UmsteigerInnen gibt es einen eigene Migrations-Wizard, der bei der Übernahme privater Daten helfen soll, den Standard-Browser gibt Firefox in der aktuellen Version 2.0.0.13. Nett auch, dass sich die Helligkeit des Bildschirmhintergrunds im Verlauf des Tages verändert, etwas das man sich bei Fedora abgeschaut hat.

Kern

Mandriva Linux 2008 Spring ist übrigens die erste Version der Distribution, die auf der Arbeit der "Mano Labs" basiert. Dabei handelt es sich um ein gemeinsames Unterfangen von Mandriva und Turbolinux.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Fazit

So präsentiert sich Mandriva Linux 2008 Spring als durchaus solide Distribution. Sowohl die KDE- als auch die GNOME-Umgebung sind recht gut gelungen, die Installation ist ohnehin immer schon eine Mandriva-Stärke gewesen.

Einfach

Ein echter Pluspunkt für EinsteigerInnen ist das Mandriva Control Center, das die Konfiguration des Systems erheblich vereinfacht. Eine Zielgruppe, für die Mandriva derzeit wohl auch am attraktivsten ist.

Umstieg

Richtig gute Gründe von einer anderen Distribution auf Mandriva zu wechseln, lassen sich hingegen kaum finden. Ubuntu hat die größere Community, bei Fedora und openSUSE ist die Softwareausstattung noch einen Tick aktueller. Aber: So etwas ist natürlich auch immer eine Frage der persönlichen Präferenzen, insofern kann ein Blick auf die neue Mandriva durchaus lohnen. (Andreas Proschofsky)

Screenshot: Andreas Proschofsky