Die Mädels von Brigada beraten sich über Kameraeinstellungen.

Foto: derStandard.at/Geibel

Lyudmila Handzhiyska und Corina Malicek (v.l.)

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Ein Brigada Gruppenfoto(v.l.): Ivan Kartchev, Lyudmila Handzhiyska, Corina Malicek, Ana Dencheva und Orlin Karchev

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Orlin Karchev übernimmt die Kameraführung.

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"Alle Handys abgedreht?" fragt Ana Dencheva in die Runde. Ab jetzt herrscht Stille. Die Besitzerin hat das kleine Weinlokal im fünften Bezirk abgeschlossen, Gäste hätten zwischen Kabeln, Kameras und Scheinwerfer sowieso keinen Platz. Auf der roten Couch vor der Kamera sitzt Lyudmila Handzhiyska und interviewt Georgi Vassilev, Geschäftsführer des Weinstudios. Alle Aufmerksamkeit ist auf ihn gerichtet. Nervös wirkt er nicht, obwohl das umfassende Equipment so manchen Laien beunruhigen würde.

Bulgarische Weine

"Brigada" nennt sich die Fernseh-Sendung auf Okto, die bulgarische Kultur und das bulgarische Leben in Wien wahrheitsgetreu porträtieren will. Sie richtet sich an BulgarInnen in Österreich und alle, die sich für Land und Leute interessieren. Hinter der Kamera stehen fünf Freunde, vier BulgarInnen und eine Österreicherin, die einander schon lange kennen.

"Vier bis fünf Drehtage braucht man ungefähr pro Sendung", erklärt Lyudmila Handzhiyska, die von österreichischen sowie bulgarischen Freunden mittlerweile Lucy genannt wird. Die aktuelle Sendung dreht sich um das Thema "Musik und Lebenskultur". Damit ist bulgarische Lebenskultur wie österreichische gemeint, und da man hier wie dort gerne Wein trinkt, entschied man sich unter anderem für ein bulgarisches Weinlokal. "Österreich ist ein Weinland, es gibt hier eine ausgeprägte Weinkultur, allerdings kaum bulgarische Weine", erklärt Geschäftsführer Georgi Vassilev. Er selbst eröffnete ein Weinlokal – "weil ich schon als Kind Wein mochte".

"Österreicher wollten lieber Englisch üben"

Lyudmila Handzhiyska und Corina Malicek sind die ersten am Drehort und gönnen sich vor Drehbeginn ein Glas bulgarischen Rosé. Sie lernten sich im Zuge ihres Studiums der Kommunikationswissenschaften kennen, und sind mittlerweile seit fünf Jahren befreundet. Lyudmila kam damals zum Studieren nach Österreich. Obwohl sie selbst sagt, dass ihre Deutschkenntnisse anfangs sehr schlecht waren, schüttelt Corina den Kopf. "Ihr Deutsch war damals schon sehr gut", erklärt Corina, die selbst gebürtige Österreicherin ist. „Aber es war am Anfang sehr schwer, mit anderen Deutsch zu sprechen“, erzählt Lyudmila. "Die Österreicher wollten lieber ihr Englisch üben und haben erst gar nicht Deutsch mit mir gesprochen.“

Probleme hatte sie kaum. Den anfänglichen Eindruck, dass andere sie nicht mochten, begründet Lyudmila mittlerweile mit einer Art "österreichischer Mentalität". Hier seien alle anfangs ein bisschen verschlossener. "Man muss die Leute erst besser kennen lernen, bevor sie sich öffnen", erklärt sie. Corina kann das bestätigen. Sie war schon zweimal in Bulgarien und fand es dort viel einfacher, mit Leuten ins Gespräch zu kommen. "Wenn jemand unfreundlich ist", fügt Lucy hinzu, "kann ich eigentlich nicht unterscheiden, ob das mich als Person betrifft, oder ob es daran liegt, dass ich Bulgarin bin."

Verschlossenheit und Kommunismus

Auf schwerwiegende Vorurteile gegenüber Bulgarien ist Lyudmila noch nicht gestoßen, eine gewisse Unwissenheit gegenüber Osteuropa gäbe es allerdings schon. "Bulgarien wird oft mit Rumänien verwechselt, und viele Österreicher verbinden Osteuropa noch immer mit Verschlossenheit und Kommunismus", erklärt die Studentin. Mit richtigem Rassismus wurde sie aber noch nicht konfrontiert. "Also auf der Uni gab es schon einen sehr rassistischen Dozenten", wendet hier Corina ein und wirft Lyudmila einen viel sagenden Blick zu.

Ihr größtes Problem in Österreich sei es aber, neben dem Studium nicht arbeiten zu dürfen. Einerseits bringt das finanzielle Schwierigkeiten mit sich, andererseits behindere das die Integration. "Man lernt ja viele Leute durch die Arbeit kennen, auch solche mit denen man sonst wenig zu tun hätte", erklärt sie. Schon oft sei es ihr passiert, dass man sie sogar anstellen wollte – "aber ohne Arbeitsgenehmigung geht es eben nicht".

Konstruktive Kritik

Auch ein Praktikum sei für sie als Bulgarin "ziemlich unmöglich zu bekommen". Mit ein Grund, warum sie die Arbeit beim Fernsehsender Okto schätzt. "Man lernt schließlich mindestens soviel wie bei einem Praktikum", erklärt Lucy. Von FreundInnen, Bekannten und Fremden bekommt das Team auch viele Rückmeldungen. "Das Feedback reicht von technischen Tipps bis zu Lucys Kleidungswahl", sagt Ivan. "Einige hatten auch sehr konstruktive Kritik zu den Interviews", ergänzt ihn Lucy. "Manchen waren unsere Fragen – vor allen gegenüber dem AMS und der österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) – nicht kritisch genug." Sie selbst kann sich an das Interview am AMS genau aus diesem Grund sehr gut erinnern: "Eigentlich hatten wir schon einige kritische Fragen gestellt, sie wurden nur geschickt umgangen – das war ziemlich frustrierend."

Positive Brigarda-Erlebnisse gibt es dafür auch genügend, denn durch die Sendung lernen die fünf Brigada-JournalistInnen viele interessante Leute wie zum Beispiel bulgarische KünstlerInnen und Universitäts-ProfessorInnen, kennen. "Wir möchten diesen Leuten ein Sprachrohr geben – und dadurch eine Art Medium für Bulgaren in Wien schaffen." (Madeleine Geibel, derStandard.at, 21.04.08)