Entscheidungsschwierigkeiten?

Natürlich gibt es sie, diese Menschen die von Anfang an wissen was sie wollen und beruflich erfolgreich ihren Weg verfolgen. Das breit gefächerte Beratungsangebot für MaturantInnen zeigt aber, dass sich viele nicht ganz sicher sind, was genau sie später einmal werden wollen. Nach der Matura stehen wichtige Entscheidungen für die spätere Lebensplanung an, trotzdem gilt: Keine Panik. Die folgenden Personen weisen einen erfolgreichen und oft inspirierenden Lebens(ver)lauf vor, der eine abwechslungsreiche und spannende Lektüre abgibt. Denn so unterschiedlich die genannten Personen auch sein mögen, sie haben doch etwas gemeinsam: Alle haben Branche gewechselt, frühere Berufs-Entscheidungen geändert und erfolgreich ihren Weg, sozusagen auf Unwegen, gefunden.

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Christine Bauer-Jelinek: Von Lehrerin zur "Macht Expertin"

Würde es Jedi-Ritter geben, Christine Bauer-Jelinek wäre eine würdevolle Anwärterin. Doch auch in unserem Sternensystem ist die Expertin für Macht-Mechanismen und Autorin von Büchern wie "Die Helle und die Dunkle Seite der Macht" (bereits in der 8. Auflage erschienen) durchaus erfolgreich. Als Wirtschaftscoach und Psychotherapeutin, Leiterin des Instituts für Macht-Kompetenz und Sachbuchautorin, hat sie sich einen Namen gemacht. Die Liste ihrer renommierten Kunden ist lang und reicht von Konzernen wie BA-CA, Raiffeisen und IBM über Medien wie ORF, ATV, Kurier und der Standard.

Foto: Michael Appelt

Nach der Matura war Bauer-Jelinek allerdings nicht so wirtschaftlich orientiert. Vorerst besuchte sie die Pädagogische Akademie und arbeite zehn Jahre im Wiener Schuldienst. Nach der Geburt ihrer Kinder nützte sie ihre Karenz-Zeiten um Psychologie zu studieren. "Das war mir aber zu Statistik orientiert und ich habe dann stattdessen die Psychotherapie-Ausbildung absolviert", erklärt die Unternehmerin.

Anfang der 80er Jahre machte sie sich dann selbstständig. "Meine Mutter war damals entsetzt dass ich meine pragmatisierte Stelle aufgegeben habe", erinnert sie sich heute. Trotz ihrer abwechslungsreichen beruflichen Laufbahn würde sie karriereorientierten Maturanten raten die Universität oder eine Fachhochschule zu besuchen. "Solche 'handmade-Karrieren' gibt es heutzutage kaum mehr", erklärt Bauer-Jelinek "Außer Unternehmerkarrieren, aber da braucht man sehr viel Durchsetzungsvermögen und gute Ideen."

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Herbert Steinböck: Zuerst Magister, dann das Kipferl

Ungefähr zehn Jahre hatte Herbert Steinböck gemeinsam mit Gerold Rudle unter anderem dem Kipferl gewidmet, und war mit diversen "Killerkipferl" und "Butterkipferl" Kabarett-Programmen erfolgreich. Seit 2006 gibt es Steinböck solo in „Steinböcks Bananensplitter“ in Österreich, Deutschland und der Schweiz zu sehen. Früher war die Schauspielerei für ihn allerdings "ein ganz geheimer Traum" oder "eine wilde Fantasie".

Nach der Matura wollte er eigentlich Lehrer werden, erklärt er. "Da haben aber alle gesagt, dass die Jobchancen schlecht stehen." Daher machte er zuerst eine Ausbildung auf der Sozialakademie. Nach dem Arbeitseinstieg war ihm der Beruf als Sozialarbeiter aber "zu frustrierend". Es folgte ein Magisterstudium in Deutsch und Geschichte und die anschließend erwünschte Lehrertätigkeit an Wiener Gymnasien.

Als im Wiener Volkstheater allerdings eine Schauspielschule eröffnete, versuchte der damals sechsundzwanzigjährige Steinböck unter dem Motto "jetzt oder nie" sein Glück, und wurde prompt als einer von zehn aus 250 Bewerbern ausgewählt. Mittlerweile ist Steinböck fünfzig, hat drei Berufsausbildungen und sagt selbst: "ich habe viele Umwege gemacht." Doch das findet er auch gut so, schließlich war es dadurch "nie fad". Frisch gebackene Maturanten kann er beruhigen: "Man kann eigentlich nichts falsch machen." Nur alles Angefangene sollte man "durchziehen".

Erika Fuchs: Von Kunstgeschichte zur Familie Duck

Sie wird die „Grand Dame des Deutschen Comics“ genannt und der Künstler Gottfried Hellwein hat Erika Fuchs sogar als eine der bedeutendsten Frauen des 48. Jahunderts in Portrait-Form verewigt. Über 40 Jahre arbeitete sie für den Verlag Ehapa und übersetzte amerikanische Comics für die deutsche Mickey Maus auf so gekonnte Weise, dass viele Comics-Liebhaber die deutschen Versionen den englischen vorziehen.

Foto: Gottfried Hellwein

Geplant war die überaus erfolgreiche Karriere als Comic-Übersetzerin wohl kaum, sondern galt anfangs eher als eine Notlösung nach dem 2.Weltkrieg. Fuchs studierte Kunstgeschichte, Archäologie und mittelalterliche Geschichte in München und London. Dank ihrer fundierten Ausbildung, strotzten ihre Arbeiten, im Gegenteil zu den amerikanischen Comics, allerdings vor literarischen Zitaten und Anspielungen.

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Kristian Scheed: Arzt, Sonderschullehrer oder antike Uhren?

Sein großes Antiquitäten Geschäft "D&S" befindet sich in Top-Lage, im 1.Bezirk gleich beim Dorotheum. Scheed gilt als Marktführer für antike Wiener Uhren. Er stattete schon Bundespräsident Kirchschläger mit originellen Staatsgeschenken, die auch den damaligen amerikanische Präsidenten Ronald Reagan begeisterten, aus. An seinem Beruf hat er „drei mal Freude“, erklärt er bestimmt. Zuerst freut er sich beim entdecken neuer und seltener Antiquitäten, dann beim restaurieren (auf subtile Art, versteht sich) und letztendlich wenn sich dann der richtige Kunde findet. Einer, der einen guten Preis zahlt aber die ersteigerte Antiquität auch besonders zu schätzen weiß.

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Für antike Uhren, die er "lebende Antiquitäten" nennt, hat er sich schon mit sechzehn interessiert. Nach der Matura war es allerdings finanziell undenkbar sich in diesem Bereich selbständig zu machen. Arzt wollte Christian Scheed damals werden, aber auch hier schien ihm das Studium zu lang und daher sehr kostspielig. Ein Kollege beim Bundesheer machte ihn auf die pädagogische Akademie aufmerksam.

Foto: derStandard.at/Geibel

Den Beruf Sonderschullehrer mochte Christian Scheed eigentlich gerne. Als er aber ein paar antike Uhren aus seiner privaten Sammlung verkaufen musste, und diese enorm an Wert gestiegen waren, beschloss er seine private Freude zum Beruf zu machen und machte sich gemeinsam mit seiner Kollegin, Brigitte Kolhammer-Duschek, selbstständig. Unentschlossenen rät er: "ganz genau in sich hineinzuhören, sich ernsthaft selbst beurteilen und im Notfall ein paar Dinge ausprobieren."

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Gery Keszler: von der HTL zum Life Ball

Der Life Ball im Wiener Radhaus ist eines der wichtigsten Events des Jahres. Mittendrin steht Gery Keszler, Gründer und Organisator des verrückten Festes. Die vielen Aufgaben rund um den Life Ball sind zu seinem Hauptberuf geworden. Die schrägste Party Österreichs dient allerdings einer guten Sache, der Ball ist Europas größtes Aids-Charity-Event. Seine Zivilcourage und sein Engagement wurden 2006 auch ganz offiziell mit dem goldenen Verdienstkreuzes des Landes Wien anerkannt und ausgezeichnet.

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So kunterbunt wie der Life Ball selbst ist allerdings auch Gery Keszlers berufliche Laufbahn. Zu Matura-Zeiten lernte er noch Feinmechanik in der HTL Mödling. Darauf folgte ca. ein halbes Jahr Arbeit bei einer Optikfirma bevor ihn die Reiselust packte und er sich nach Australien verabschiedete. Mitte der Achtziger war er wieder eine Weile im Lande und machte die Ausbildung zum Visagisten. In diesem Berufsbereich war Gery Keszler ausgesprochen erfolgreich, er zog nach Paris und arbeitete dort für namhafte Modemagazine wie zum Beispiel Vogue und Marie Claire, sowie für bekannte Designer wie Vivienne Westwood und Jean Paul Gaultier. 1992 gründete er gemeinsam mit Torgom Petrosian den Verein "Aids Life", der den Anfang des Lifeballs darstellen sollte.

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Ute Bock: Ein kurzer Ausflug in die Privatwirtschaft

Ute Bock versorgt rund 220 Menschen aus Krisenregionen in 70 privat angemieteten Wohnungen. Seit ihrer Pensionierung im Jahr 2000 gibt es den Flüchtlingsverein Ute Bock, davor war sie über zwanzig Jahre Heimleiterin in der Zohmanngasse. Über viele Jahre war die Zohmanngasse die letzte Adresse für Jugendliche, da sich Bock persönlich dafür einsetzte, dass hier niemand abgewiesen wurde. Das sie mit zwanzig Jahren als Erzieherin zu arbeiten begann ist allerdings, zumindest teilweise, ihrem Vater zu verdanken.

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Nach der Matura machte Fr. Bock die Zusatzmatura der Handelsakademie und versuchte sich ein Jahr in der Privatwirtschaft. Ihr Vater, der als selbständiger Baumeister mit den finanziellen Herausforderungen der Privatwirtschaft vertraut war, empfahl der jungen Fr. Bock allerdings eine Beamtenlaufbahn bei der Stadt Wien. Der Rest ist Geschichte: erschüttert über die Not engagierte sich Frau Bock beruflich sowie privat, in Heimen und mit Wohnprojekten.

Sie sagt selbst: "Meine Aufgabe sehe ich darin, meine Arbeit so ordentlich wie möglich zu machen und Randschichten zu besseren Bedingungen zu verhelfen." Aus ihrer langjährigen Erfahrung und auch auf Grund der Arbeitsmarktsituation rät Bock, sich bei der Auswahl von Ausbildung und Beruf: "nicht festlegen - oder jedenfalls nicht zu früh - sondern offen und flexibel sein und bleiben." (Madeleine Geibel, derStandard.at, 16.4.2008)

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