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Vermummte Mönche im Kloster Labrang in Xiahe, Provinz Gansu

Foto: Reuters/Reinhard Krause

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Tibetische Mönche am Mittwoch beim Kloster Laprang, kurz bevor sie ihre Protestaktion starteten.

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Die chinesische Führung wollte einer Gruppe von Auslandsjournalisten die heile Welt in den tibetischen Klöstern vorführen. Die Aktion misslang. Tibetische Mönche fingen die Journalisten ab.

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Unter immer wieder neuen lauten Rufen sprintet ein Dutzend Mönche in ihren bordeauxroten Kutten über den Platz. Zwei tragen vorneweg eine fast mannshohe von China verbotene tibetische Fahne mit der roten Sonne vor blauem Grund und den beiden Schneelöwen darunter. Sie schwenken sie an langen Stöcken über ihre Köpfe. Fassungslos starren überrumpelte Sicherheitsbeamte auf den Freiheitslauf im Vorhof des tibetischen Klosters Laprang.

Die Beamten waren Mittwochvormittag so wie die von ihnen überwachte Gruppe von elf Auslandskorrespondenten aus dem Kloster gestürzt, als sie von außen die trällernden Töne hörten. Die schrillen Schreie waren zur pompösen „Halle der Sutren“ vorgedrungen, wo Hunderte alter Mönche ihre Verse rezitierten. Ihre Andacht war eine für die Journalisten inszenierte Show, um ihnen die Normalität des seit den tibetischen Unruhen für Besucher geschlossenen Tempels vorzuführen.

„Wir wollen frei sein“

Die Realität führten dann junge mutige Mönche draußen im Tageslicht vor der Weltpresse vor. Das Laprang-Kloster, eines der sechs größten Heiligtümer des tibetischen Lamaismus und Stammtempel der Dalai Lamas meldete sich anders zurück, als es Pekings Regie geplant hatte. Ein zweite Gruppe Mönche trabte von einer anderen Ecke der Wohnsiedlungen um den Tempel an. Sie hielten ein auf Tibetisch beschriebenes Transparent. Sie griffen mich am Arm, sprachen auf mich ein. Einer konnte Chinesisch. „Wir wollen frei sein. Wir wollen unsere tibetische Kultur und Tradition, unsere Menschenrechte.“

Einer anderen Gruppe ging es um den Dalai Lama. „Er soll zurückkommen.“ China soll mit ihm reden. Zwei Mönche deuteten mit ihren Händen Handschellen an. „Sie haben sieben Mönche aus unserem Kloster nach den Demonstrationen verhaftet.“ Einige Meter weiter behauptete ein anderer Mönch, es seien acht gewesen. Nein, Tote habe es nicht gegeben. Viele weinten beim Sprechen.

Am frühen Mittwochmorgen auf dem Weg über neue Autobahnen und Tunnel in die 280 Kilometer entfernte Stadt Xiahe und ihren Labrang- Tempel war die chinesische Welt im Süden der Provinz Gansus noch in Ordnung. Peking wollte den Journalisten zeigen, wie normal alles ist, auch um wieder Touristen – die 2007 noch zehn Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der Region ausmachten – ins Land zu locken.

Doch die Mönche machten den Behörden einen Strich durch die Rechnung. Für ihren Protest teilten sie sich in kleine Gruppen auf. Ihre Zahl wuchs auf zwei, drei Dutzend an. Sie gestikulierten, riefen immer wieder auf Tibetisch, versuchten vor Kameras ihr Anliegen vorzubringen. Aber sie blieben in ihren Aktionen friedlich. Drum herum standen fast reaktionslos die Pekinger Begleiter der Journalistengruppe, sie wirkten unschlüssig wie auch die Polizisten und Sicherheitsleute. Ältere Mönche kamen dazu, redeten auf die Mönche ein. Nach langen Minuten schafften sie es, die Gruppen zurück zu ihren Wohnhäusern zu bugsieren.

Die Aktion war clever ausgedacht, noch besser, als beim Besuch der ersten Journalistengruppe in Lhasa am 24. März, wo 30 Mönche im Jokhang-Tempel gegen ihre Unterdrückung seit dem Ende der Unruhen protestierten. In Laprang warteten die Mönche den rechten Zeitpunkt ab. Dieser war gekommen, als die chinesischen Begleiter die Gruppe gerade in die „Halle der Sutren“ führen wollten. Die Mönche wussten, dass da schon die meisten Sicherheitsbeamten tief im Tempel waren, zu weit weg, um sie noch abfangen zu können.

Eine Gruppe von vier von China eingesetzten Lamas mit hohen weltlichen Ämtern versuchte die Proteste kleinzureden. Eine Minderheit hätte sich da bemerkbar gemacht. „Diese Mönche stehen nicht über dem Gesetz.“ Sie würden nach dem Gesetz oder dem Klosterrecht bestraft, wenn sie dagegen verstoßen haben. Auf den Einwurf, ob nach dem Klostergesetz die freie Meinungsäußerung strafbar ist, antwortet der Tibetologe Zhazha: „Das waren keine freiwilligen Proteste. Sie hatten Hintermänner.“ (Johnny Erling aus Laprang/DER STANDARD, Printausgabe, 10.4.2008)