Zur Person

Mohammed Mahmoud El Oumrany (72) ist Vertreter der maurischen Berabiche in Timbuktu und einer der Ältesten der dortigen Stammesgemeinschaften. Er war Botschafter Malis bei der UNO in New York und in Algerien.

Foto: Raabe
Der Stammesführer Mohammed El Oumrany vermittelte 2003 bei der Geiselnahme deutscher Touristen in der Sahara. In Bamako erzählte er Julia Raabe, wie er die Geiselnehmer damals fand und warum es wichtig ist, über Geld zu reden.

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STANDARD: Die Krise um die zwei österreichischen Geiseln erinnert an die Entführung von überwiegend deutschen Touristen im Jahr 2003. El Oumrany: Das Krisenmanagement von heute ist eine Wiederholung der Situation von 2003. Die Regierung hat die Führer der einzelnen Stammesgemeinschaften in der Gegend, in der die Geiseln vermutet werden, damit beauftragt, zu den Entführern Kontakt aufzunehmen. Die Regierung kann die Entführer, die sich bewegen, zwar nicht genau lokalisieren, aber sie kann in einem Umkreis von rund 300 Kilometern sagen, dass sie sich in dieser Gegend befinden müssen. Die Leute, die sich am nächsten zu dieser Gegend befinden, werden aufgefordert, einen Beitrag zu leisten: zu suchen, Kontakt aufzunehmen, zu diskutieren, Neuigkeiten und auch die Bedingungen zu überbringen, die die Entführer stellen. STANDARD: Sie waren 2003 auch dabei. El Oumrany: 2003 war ich damit beauftragt, mit den Entführern Kontakt aufzunehmen. Ich war nicht der Einzige. STANDARD: Sind Sie auch heute eingebunden? El Oumrany: Ich bin nicht kontaktiert worden. STANDARD: Wie war das damals? El Oumrany: Ich war in Bamako und bin dann direkt in die Gegend gefahren, wo sie sich aufhielten. Ich habe einige Leute gefragt, habe ihre Telefonnummer bekommen und angerufen – das war alles. (lacht). STANDARD: Ihre Telefonnummer? El Oumrany: Ja, ich habe Leute aus meiner Gemeinschaft gefragt, und sie haben gesagt: Voilà, die Nummer des Satellitentelefons. Ich habe angerufen, mich vorgestellt, und sie haben gesagt: Kommen Sie an diesen bestimmten Ort. Da bin ich hingefahren und habe sie getroffen. Ich habe zwei Tage mit ihnen verbracht. Sie haben gesagt, dies sei ein islamischer Staat. Ich habe gesagt, nein, das ist das Territorium von Mali, hier gibt es Muslime, Christen, Animisten (indigene Religionen, Anm.). Ich habe sie aufgefordert, unser Territorium zu verlassen. „Nehmt die Geiseln und geht, weil wir hier in Frieden leben wollen.“ Aber sie konnten nirgendwohin. Wir haben uns gestritten am Anfang. Dann haben wir diskutiert. STANDARD: Wo waren die Geiseln? El Oumrany: 15 Kilometer von uns entfernt. Man verhandelt nicht am Ort, wo sich die Geiseln aufhalten. Ich habe ihnen aber auch gesagt, nehmt, was man Euch bietet. Ein Dieb, der sein Diebesgut verkauft, profitiert immer. Man musste ihnen Angst machen und zeigen, dass die lokale Bevölkerung das nicht akzeptiert. Wir waren die zweite Gruppe, die die Entführer besucht hat. Und es gab noch andere Führer in der Gegend. Sie haben aber auch direkt mit den Deutschen in Deutschland telefoniert. Das Lösegeld wurde dann in einem Karton übergeben, fünf Millionen Euro. STANDARD: Haben Sie gewusst, dass es Islamisten in Ihrer Region gab? El Oumrany: Ja. In der malischen Sahara gab es schon vor den Geiselnahmen algerische Islamisten. Aber sie haben niemals etwas gegen die Bevölkerung unternommen. Mit der Geiselnahme hat der Führer der Gruppe, Abdel Razak, genannt der Para, die Terroraktionen ausgeweitet. Mit dem Geld, das er bekommen hat, wollte er Waffen kaufen und wurde dann gefangengenommen. Er sitzt heute in algerischer Haft. Der vorherige Kommandeur, Moktar Belmoktar, ist dann zurückgekommen. Standard:Wer sind die Entführer von heute? Wie schätzen Sie die Lage ein? El Oumrany: Die Entführer sind von derselben Bewegung wie Abdel Razak. Ich kenne diese Leute. Sie verlangen die Befreiung ihres Führers. Und es ist einfacher, einen Gefangenen aus Guantánamo zu befreien als einen aus einem algerischen Gefängnis. STANDARD: Heißt das, die politischen Forderungen sind ernstzunehmen? El Oumrany: Ich nehme die Forderungen ernst, weil sie Waffenbrüder sind, die ihren Führer verlangen. Ich hoffe, dass die österreichische Regierung genügend Geld bietet, damit sie diese Forderungen fallenlassen. STANDARD: Es sind Meldungen aufgetaucht, wonach die Geiselnehmer nur mehr die Freilassung eines Islamistenehepaares in Österreich fordern. El Oumrany: Das ist Propaganda, da geht es auch um die öffentliche Aufmerksamkeit. Das Entscheidende ist, ob es zur gleichen Zeit auch finanzielle Vorschläge gibt. Wenn über Geld gesprochen wird, gibt es keinen Krieg mehr, das ist Geschäft. Wenn es keine finanziellen Forderungen gibt, wird es schwierig. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.4.2008)