Routinearbeit am Wiener Donauturm: Gute Schlosser, Spengler und Maurer für Jobs in luftiger Höhe zu finden ist nicht leicht. Wilde Hunde gibt es in der Branche zwar genug, doch gefragt sind ein kühler Kopf und Disziplin.

Foto: STANDARD/Industrial Alpinists Vienna
Wien – Im Dezember im Schneetreiben in 220 Meter Höhe: Windstöße bringen die Antenne des Wiener Millennium Towers ins Schwanken. An ihrer Spitze wechselt ein am Seil gesicherter Kletterer die Leuchtmittel für die Positionslichter aus. Das sei Routinearbeit, sagt Alexander Gölles. Genauso wie die Sanierung von Wiener Hochhausfassaden nach den jüngsten Stürmen oder die Reparatur von Rotorblättern auf Windrädern. Allein das Legen von Kletterrouten auf den Donauturm sei kein alltägliches Geschäft. Oder das Absägen riesiger Eiszapfen von einem Tower gut hundert Meter über der Wiener Uno-City.

Mühevolle Arbeit

Gölles ist Bergführer, Kletterlehrer der Universität Wien und Unternehmer. Der 40-Jährige hat mit seinem Kletterpartner Johannes Lux die Industrial Alpinists Vienna auf die Beine gestellt. Der Betrieb ist Spezialist für Montage und Reinigung ohne Gerüst und Kran. Seine Mitarbeiter seilen sich in unzugängliche Innenhöfe und Lichtschächte ab, sie klettern in Silos, Hochöfen und auf Kirchturmspitzen. Kunden reichen von Strabag und Porr über die Bundesimmobilien gesellschaft bis zum Kraftwerk Spittelau und zum Tiergarten Schönbrunn. Begonnen habe alles mit Anfragen an den Alpenverein. Da wollte etwa jemand ein Logo auf ein Getreidesilo aufgemalt oder eine 400 Quadratmeter große Fahne für die Regenbogenparade auf den Donauturm. "Wir haben das damals in alpiner Klettermanier in tagelanger mühevoller Arbeit erledigt", erinnert sich Gölles. Nach einer Stunde, frei im Seil hängend, seien ihnen beinahe die Füße abgefallen. "Da war klar, wir brauchen anderes Material." Statt sich mit einzelnen Jobs weiterzuhanteln, gründeten die zwei vor acht Jahren einen Industriekletterbetrieb. Mit den Behörden wurden Pläne für Sicherheit, Gefahrenmanagement und Ausbildung erarbeitet. Doch die Kunden reagierten erst einmal belustigt bis peinlich berührt, sagt Gölles. Anders als in Ostdeutschland und Frankreich galt ihr Job in Österreich eben als bizarr und exotisch. Mittlerweile treten 24 Mitarbeiter der Alpinisten mit Seil und Karabiner gegen Hebebühnen und Gerüste an – und setzen mit Montagearbeiten eine Million Euro um. Zusätzlich werden Betriebe in Sicherheitstechniken eingeschult, und die dafür nötige Ausrüstung wird vertrieben. Baukonzerne wie die Strabag lassen sich von den Wiener Kletterern ihre Absturzsicherungen montieren.

Kühle Köpfe und Disziplin

Gute Schlosser, Spengler, Maurer für seinen Betrieb zu finden sei aber schwierig, sagt Gölles. Wilde Hunde gebe es mehr als genug, aber die brauche er nicht. „Wir suchen Leute mit kühlem Kopf und Disziplin, die jede Sicherheitsrichtlinie befolgen.“ Entscheidend sei, die Adrenalin-Junkies herauszufiltern, bevor etwas passiere. Ausbauen wollen Gölles und Lux auf jeden Fall. Die zwei planen einen neuen, größeren Firmenstandort, das Projekt steht vor der Unterschrift. Bisher habe ihr Betrieb ohne einen Cent Fremdkapital expandiert, "wir sind ja eigentlich ultrakonservativ", meint Gölles, der zuvor jahrelang als Fondsmanager arbeitete. Jetzt stehe die erste große Investition an, und die Rahmenbedingungen für Kredite seien in seiner Branche alles andere als einfach. Nachsatz mit Schmunzeln: Vor einem Jahr habe als Sicherheit ein Pfandrecht gereicht, mittlerweile hafte man persönlich, inklusive der Lebensversicherung, der Eltern und des Fressnapfes seines Hundes. Vom Einstieg eines Industriepartners in ihre Firma halten Gölles und Lux wenig. Die meisten seien nur an einer Mehrheitsübernahme interessiert, entsprechende Angebote haben sie daher ausgeschlagen. Gölles: "Da hätte ich gleich meinen Job in der Bank behalten können." Fette Umsätze und Gewinne hätten ihn ohnehin nie gelockt. "Uns hat die Frage getrieben: Geht das? Können wir das?"

Chancen in der Windkraft

Große Chancen sehen die Industrie-Alpinisten in der Windkraft. Der Einstieg in den Markt sei nach langer Vorarbeit gelungen. Für Konkurrenten stellten die Reparatur der Rotorblätter oder die Überprüfungen der Blitzschutzanlagen technische Hürden dar. Mit Anlagenbetreibern über die Grenze in den Osten zu expandieren sei reizvoll, meint Gölles. Übereilt werde nichts, ein falscher Schritt könne wie für Bergsteiger auch für Unternehmer fatal enden. (Verena Kainrath, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 4.3.2008)