Ethnomecanica erschien bei Sony BMG.

Foto: Sony
Seit fünfzehn Jahren stiften "Zdob Si Zdub" Unruhe in der Musikszene des Ostens. Zu den westlichen Gehörgängen drangen sie das erste Mal 2005 beim Eurovision Song Contest. Mit dem Song "Boonika Bate Doba" und einer trommelnden Oma im Schaukelstuhl landeten die phantasievollen Jünglinge prompt auf dem sechsten Platz. Wer bei dem Wort Song Contest zusammenzuckt und sich Events dieser Art nicht freiwillig aussetzt, mag von dem moldawischen Sextett möglicherweise bis heute keine Notiz genommen haben.

Dabei lässt sich über die wilden Kerle eine wirklich hübsche Entstehungsgeschichte erzählen. Ganz so, wie es dem westlichen Multi-Kulti-Konsument gefallen wird: Als die örtliche Kühlschrankfabrik in Straseni, dem Geburtsort von "Zdob Si Zdubs" Gründungsvätern, Anfang der Neunziger, die erste Satelitenschüssel Moldawiens montierte – so erzählt man sich - ahnte niemand, dass dies auch die Geburtsstunde des moldawischen Ethno-Hardcore werden sollte. Aber so war es. MTV bot den Musikern die Gelegenheit, Bekanntschaft mit "Rage Against the Machine", "Guns & Roses", "Nirvana" und unzähligen anderen westlichen Bands zu schließen. Spitzt man bei Ethnomecanica das Ohr, lässt hörbar "System Of A Down" grüßen.

Entstehungsmythos mit Pfiff

Und nun – wie könnte es einem Entstehungsmythos nach auch anders sein – zeigen sich die Jungs von den westlichen Sounds infiziert. Die Boyband unter Mitwirkung der Schüler Roman Iagupov, Mihail Gincu und Anatolii Pugaci ist "geboren". War es anfangs mehr das Kopieren ihrer Vorbilder, so gingen sie offenbar doch recht bald ihren eigenen Weg. Der östlichen Musikszene gefiel's: Nach den ersten Erfolgen in Chisinau (Moldawiens Hauptstadt) wurden sie bald als Insidertip in der russischen Alternativszene gehandelt. Den Durchbruch verschaffte den Mannen schließlich ein Auftritt beim "Learn To Swim" Festival in Moskau (1996). "Hardcore Moldovenesc" – wie es der Name schon sagt, eine Hardcore-Version eines moldawischen Volksliedes wurde zum Hit. Das russische Label "FeeLee" nahm die Jungs unter Vertrag und das gleichnamige Debutalbum erschien.

Wohin die Reise geht? Man weiß es nicht so genau, auch wenn man "Ethnomecanica" auf und ab und hin und her auf mögliche Hinweise untersucht: Eine Rückblende, fünf neue Songs und Remixes älterer Aufnahmen – immerhin seit 2002 wurde gebastelt, und offenbar hungrig nach Altem und Neuem gesucht, experimentiert und integriert. Ob die Jungs schon "ihren Stil" gefunden haben, oder der wüste Mix noch der Sinnsuche geschuldet ist, frech und frisch ist er allemal. Hip-Hop-Einlagen, Metal-Gitarren, Country-Picking oder bayrisch-jazzig-folkloristische Bläser, wer "Zdob Si Zdub" folgen will, braucht große musikalische Toleranz.

Die Mädchen von der Stadt und vom Land

Dass auch Hubert von Goisern, ein österreichischer Musikethnobotaniker der heiklen Sorte seine Finger mit im Spiel hat, sollte niemanden abschrecken. Die Hardcoreversion vom "Hiatamadl" ist durchaus hörenswert. Wer sich für den Text interessiert – da gibt es kleinere Unterschiede: Während der eine die Mädchen aus der Stadt denen von der Alm vorzieht, mögen die anderen die Mädels vom Land lieber, weil sie sich nicht nur für Discos interessieren, sondern auch für Familie. Und weil sie kochen. Dazu kann man sich jetzt allerlei denken oder froh sein, dass man nicht alles versteht, was da in einer Mischung aus Russisch, Englisch und Rumänisch so gesungen wird. Es geht jedenfalls immer "um das Leben" - und das ist, wie man weiß - nicht immer besonders erbaulich.

Mag sein, dass sich die Zielgruppe letztendlich auf den experimentierfreudigen Rockfan reduziert. Mag auch sein, dass der Gesang bulgarischer Frauenchöre, mongolischer Schafhirtinnen und alpenländischer Jodlerinnen eher den Ethnofreak anspricht, kann aber auch sein, dass der schräge Humor (Neugierigen seien die Videos auf You Tube und MySpace ans Herz gelegt) bei beiden gut ankommt.

Jedenfalls sorgt schon der Einsatz traditioneller Instrumente aus der Gegend wie Fluyer, Kaval und Talinka, im Heavy-Metal Umfeld für den kleinen exotischen Touch. Wer sich dann noch in Moldawischer Dichtung und Volksmusik aus der Region auskennt, wird sich über das eine oder andere Déjà-vu freuen. Ganz unspektakulär würde man sagen: Zdob Si Zdub machen, was sich für solide Musiker gehört: eine spannende Crossover-Mischung in geografischer und stilistischer Hinsicht - was heraus kommt ist irgendwie ziemlich lustig und auf gar keinen Fall fad. Die Band ist übrigens berühmt für ihre rasanten Live-Shows. (mareb)

Überzeugen kann man sich bei folgenden Konzerten:
  • 11.04 Wien - Club Ost
  • 12.04 Innsbruck - Treibhaus
  • 25.04 Dornbirn - Spielboden