Ran Chen, Arm in Arm mit ihrem Vater Wo Weihan auf ihrer Hochzeit 2004 in Innsbruck ...

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... und heute. Wo Weihan wurde in China zum Tode verurteilt. Die Familie hofft auf ein Einlenken des Höchstgerichtes.

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Zwei Österreicherinnen kämpfen um das Leben ihres chinesischen Vaters, der in Peking wegen Spionage in der Todeszelle sitzt. Bisher hofften sie vergeblich auf einen Gnadenakt der Justiz.

Die Appelle aus Österreich blieben bisher unbeantwortet. Für den 59-jährigen Biochemiker und Unternehmer Wo Weihan ist es die letzte Chance. Der Instanzenweg ist erschöpft. Das Oberste Pekinger Berufungsgericht hat am 24. März die Todesstrafe bestätigt. Tochter Ran Chen, die seit 1989 mit ihrer Schwester in Österreich aufwuchs, wo beide 2001 eingebürgert wurden, war bei der Verlesung des Urteils dabei. Sie grübele, ängstige, quäle sich Tag und Nacht mit dem Gedanken: "Was ist da passiert? Was steckt dahinter?"

Bei der Urteilsverkündung konnte sie zu ihrem Vater nur einen kurzen Blickkontakt aufnehmen. Seit seiner Verhaftung vor drei Jahren hat sie ihn kein einziges Mal besuchen dürfen. Als die Richter das vom Mittleren Volksgericht am 24. Mai 2007 gegen Wo Weihan und einem Mitangeklagten wegen militärischer Spionage verhängte Todesurteil bestätigten, spürte Ran Chen, wie ihr Vater resigniert in sich zusammensank. Er hatte die Vorwürfe zurückgewiesen, seine Unschuld beteuert. Vergeblich versuchte auch die Anwältin, das Gericht zu überzeugen, dass die Beweislage nicht ausreicht.

Wo Weihan und seiner Familie bleiben nur noch eine Hoffnung. Seit einem Jahr hat China für Todesstrafen eine letzte Überprüfung durch eine Kammer am Obersten Volksgericht eingeführt. Alle Todesurteile müssen ihr vorgelegt werden. "Wir hoffen auf ein Wunder. Ich flehe darum, dass das Höchste Gericht eingreift, und die Fakten erneut prüfen lässt", sagt die 30-jährige Ran Chen. "Deshalb wende ich mich an die Presse."

Spionage für Taiwan

Die junge Frau kam im Alter von elf Jahren nach Österreich, studierte Wirtschaftswissenschaften an der Uni Innsbruck. Nach fast 20 Jahren in Österreich kehrte sie nach Peking zurück, um ihrem Vater beizustehen. Für Ran Chen ist er unschuldig, nicht nur, weil sie seine Tochter ist. Die Vorwürfe passten nicht auf das Leben des passionierten Biomediziners, der von 1988 zuerst zwei Jahre an der TU-München studierte und danach bis 1997 in Österreich lebte und immer wieder dorthin zurückkehrte.

Das zehnseitige Urteil am 24. März, so sagt sie, wirft mehr Fragen als Antworten auf, weshalb die Richter das Todesurteil auch bestätigt haben wollen. 31 Beweispunkte für Spionage zwischen 1993 und 2003 führt die Anklage gegen die beiden zum Tode verurteilten Hauptbeschuldigten an, von denen der zweite ein Bekannter Wo Weihans ist, der am Forschungsinstitut der chinesischen Luftfahrttechnologie arbeitete.

Die Tragödie begann am 19. Jänner 2005. Schwarzgekleidete Beamte der Staatssicherheit nahmen Wo Weihan damals vor seinem Haus in einem Pekinger Vorort fest. Als Ran Chen Bescheid erhielt, fuhr sie nach Peking und suchte eine Anwältin für den Vater. Sie hatte ihn zuletzt im Mai 2004 gesehen, als er zu ihrer Hochzeit nach Österreich kam.

Ihr Vater hätte ein Pseudonym verwendet, behauptete die Anklage, 400.000 Dollar für geheime Infos bekommen, die er für eine Spionageorganisation aus Taiwan beschafft haben soll. Im Urteil werden Vorwürfe aufgezählt, von der unterstellten Beschaffung von Kopien von Raketenplänen bis zum "vielleicht" verratenen "Gesundheitszustand eines führenden Politikers".

Als belastend werden eine Reihe militärischer Fachmagazine aufgezählt, obwohl sie der Vater im Lesesaal der Akademie der Wissenschaften einsah und sich beim Kopieren in die Kopierliste eintragen ließ. Die Anklage muss ihre Vorwürfe nicht präzisieren, da es sich um Staatsgeheimnisse handele. Die Schuld Wo Weihan sei nach Ansicht des Gerichtes hauptsächlich dadurch bewiesen, sagt die Tochter, weil sich beide Angeklagte in den ersten zehn Monaten ihrer Haft schuldig bekannt hätten.

Da aber seien sie isoliert gewesen, wurden ohne Rechtsbeistand verhört. Dass der Vater, der zu Beginn der Haft eine Gehirnblutung erlitt, später seine Geständnisse widerrief, ist für das Gericht kein Grund, der Berufung stattzugeben. Bei Spionageverfahren in China hat die Öffentlichkeit kein Recht auf Auskunft und Transparenz. 22 Monate Haft vergingen, bis die Töchter im November 2006 zum ersten Mal den Vater sehen konnten, für den kurzen Moment, als er aus der Gefangenenklinik zur Verhandlung gebracht wurde.

Österreichs Botschaft richtete, von Juli 2005 an, zwei Verbalnoten an das chinesische Außenministerium, um Auskunft über den Gesundheitszustand von Wo Weihan zu erhalten und um Besuchserlaubnis für seine Töchter anzufragen. Auch Außenministerin Ursula Plassnik und andere prominente Österreicher wandten sich an Chinas Führung. Auf die Appelle kam keine Reaktion. "Ich verstehe das nicht", sagt Ran Chen.

Prüffall für die Reform

Sie steht nicht allein. Der auch in China respektierte Direktor der Duihua-Gefangenenhilfe, John Kamm, sagte dem Standard, dass die Anklagepunkte Zweifel an dem Urteil wecken. "Ich kenne auch keinen chinesischen Parallelfall", wo Peking zwei Zivilisten wegen militärischer Spionage zum Tode verurteilt hatte. Kamm hofft nun, dass die neue Prüfinstanz beim Obersten Gericht das Urteil zurückweisen wird. "Das ist jetzt ein ganz konkreter Prüffall für diese Reform."

Wo Weihan arbeitete an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, bevor er nach Deutschland ging. Seine Familie kam 1989 nach und ging nach Österreich. Anfangs schlugen sie sich mit einem Chinarestaurant durch, bevor er zur Biochemie zurückfand. In China gibt es viele Hinweise im Internet auf den wirtschaftlichen Erfolg seiner Patente. Sie enden vor 2005, dem Zeitpunkt der Verhaftung. (Johnny Erling aus Peking/DER STANDARD, Printausgabe, 4.4.2008)

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