Hält den von den EU-Chefs vorgegebenen Klima-Zeitplan für nicht realistisch: SP-Europaabgeordneter Hannes Swoboda.

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Die von Wien geforderten Ausnahmen für die Industrie und die Erleichterungen bei den Zielen für erneuerbare Energie stören den SP-Europaparlamentarier Hannes Swoboda, verriet er Andreas Schnauder.
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STANDARD: Ab Montag diskutieren Delegationen von 190 Ländern über eine Nachfolgeregelung für das Kioto-Protokoll. Ist die EU wegen des internen Streits über Klimaschutz-Ausnahmen für die Großindustrie geschwächt?

Swoboda: Die EU-Kommission hat zu wenig Druck auf die anderen Staaten - von den USA bis zu China - ausgeübt, um das Abwandern von Betrieben in Länder ohne Klimaschutzauflagen zu verhindern. Das Abwandern von Betrieben, die dann die Umwelt verschmutzen und die Arbeitsplätze mitnehmen, kann nicht geduldet werden. Man muss sich jetzt überlegen, wie man durch eine CO2-Steuer oder Importabgabe den Klimaschutz in Europa bewahren kann, ohne Arbeitsplätze zu verlieren.

STANDARD: Das dürfte nicht in Einklang mit Welthandelsregeln stehen.

Swoboda: Dann muss man einen Weg finden, der WTO-konform ist. Da muss sich Europa auf die Beine stellen. Die Entscheidung aufschieben ist ein Problem.

STANDARD: Die EU-Chefs wollen noch heuer einen Beschluss.

Swoboda: Das ist sowieso irreal, denn das Europäische Parlament ist noch bis Juni oder Juli mit dem Energiepaket samt Unbundling (Trennung der Stromnetze von der Produktion, Anm.) beschäftigt. Vor den Wahlen 2009 wird zumindest die erste Lesung des Klimapakets erfolgen, die abschließende Einigung obliegt dann dem neuen Europaparlament.

STANDARD: Wie stehen Sie zu den vom Kanzler vehement geforderten Ausnahmen für große Emittenten?

Swoboda: Man wird gewisse Ausnahmen machen müssen. Aber die Industrie komplett von der Ersteigerung der CO2-Zertifikate auszunehmen halte ich für äußerst problematisch. Das würde heißen, dass überhaupt keine Anreize zum Energiesparen bestehen. Ich plädiere für Übergangsregelungen, um den Druck auf die Industrie aufrechtzuerhalten.

STANDARD: Bei den Autoemissionen will das EU-Parlament den Kommissionsvorschlag verwässern. Ist somit nicht auch beim Klimapaket ein industriefreundlicher Kurs zu erwarten?

Swoboda: Die Tendenz ist, nicht von den Zielen abzugehen, aber die Fristen zu erstrecken. Das ist eine gewisse Verwässerung. Das Parlament ist jedenfalls gegenüber den Mitgliedsstaaten auf der strikteren Seite.

STANDARD: Österreich will auch bei den Erneuerbaren Erleichterungen erwirken, haben Sie dafür Verständnis?

Swoboda: Das habe ich nicht, denn die Regierung hat sich als Ziel (Anteil von 45 Prozent erneuerbare Energie bis 2020, Anm.) mehr vorgenommen, als von der EU vorgeschrieben wird (34 Prozent, Anm.). Das ist eine typische Diskrepanz. Zuerst hat man großartige Ziele, und wenn es aus Brüssel kommt, kommt plötzlich die große Kritik. Ich teile auch die Kritik an der Bundesregierung mit ihrer Konzentration auf Raps und Mais bei den Biokraftstoffen. Das ist umweltpolitisch nicht haltbar. Das ist keine Klimaschutzpolitik, sondern Förderung der Landwirtschaft. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.3.2008)