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AP Photo/Shuji Kajiyama

Das HD DVD-Konsortiun gibt seine Auflösung bekannt.

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Wenn man so will, wurde vergangenen Freitag, dem 28. März 2008, der offizielle Totenschein für die HD-DVD ausgestellt. Die "HD DVD Promotion Group" gab offiziell ihre Auflösung bekannt, auch der Betrieb der Webseite wurde eingestellt.

Allein Toshiba, der Hersteller des gescheiterten DVD-Nachfolgeformats rechnet mit einem Gewinnverlust von 65 Milliarden Yen (421 Millionen Euro) für das auslaufende Finanzjahr 2007/2008. Das verlorene Kapital der weiteren Mitglieder des Konsortiums lässt sich zu gegebenem Zeitpunkt nicht beziffern.

Gewinner

Auf der Gegenseite ist die Freude dementsprechend groß. Die Mitglieder des Siegerformats Blu-ray dürfen sich die Hände reiben, sämtliche großen Medienkonzerne sind mittlerweile auf ihrer Seite. Die Liste der Profiteure ist dabei so lang wie die Rezeptur für die neue Disc selbst, wobei sich Hauptpromotor und Entwickler Sony wohl auf den größten Teil der kommenden Einkünfte durch Lizenzgebühren freuen darf. Dass durch Entwicklungskosten und Marketingausgaben aufgerissene Budgetloch dürstet schließlich auch danach wieder gestopft zu werden.

Keine Wahl

Was mit Betamax und MiniDisc auch nach Jahren des erbitterten Kampfes nicht gelang, scheint diesmal umso einfacher aufzugehen. Wenn der Wechsel von DVDs zum hochauflösenden Nachfolgeformat erst einmal vollzogen wurde, sind die jährlichen Millioneneinnahmen fix.

Im Prinzip ist die Sache so und so geritzt: Kauft man sich heutzutage einen Fernseher, führt kein Weg mehr an einem LCD- oder Plasma-Schirm vorbei. Und wird das Bild auch noch brav mit einem normalauflösenden PAL-Signal gespeist, dauert es nicht lang, bis das gepeinigte Auge nach schärferen Quellen giert. Die traurige Erkenntnis lässt dann auch nicht lange auf sich warten – HD über Satellit oder Kabel wird sich zumindest in unseren Breitengraden frühestens wohl erst ab 2010 durchsetzen. Bis dahin werden im Öffentlich-Rechtlichen lediglich ausgewählte Ereignisse, wie die Euro 2008 und die Olympischen Spiele in HD ausgestrahlt. Sämtliche deutsche Sender, seien es ARD, ZDF oder Pro7, Sat1 werden nach missglücktem Frühstart erst in zwei Jahren erneut auf den Zug aufspringen. Die Spartenkanäle der Pay-TV-Sender bleiben vorerst die einzig zuverlässige Ressource über Satellit und Kabel.

Wer nicht gewillt ist, monatlich eine zusätzliche Gebühr fürs Fernsehen zu bezahlen, dem steht also künftig die gute neue DVD – die Blu-ray – zur Verfügung. Ob gekauft oder ausgeliehen, die aktuellsten Filme strahlen dann, wie anno dazumal bei der DVD, nur im neuesten Format in voller Qualität (1080p) auf dem jüngst erworbenen Flachbildfernseher. Sind die HD-Bildschirme erst einmal in den Haushalten der Otto-Normalverbraucher installiert, geht auch der Plan für Sony und Konsorten auf.

Nicht so schnell…

Aus Sicht des Durchschnittskonsumenten gibt sich das Blu-ray-Konsortium hier allerdings sehr optimistisch. Denn solange die neuen Discs in den Geschäften um rund 10 Euro teurer sind, als gewöhnliche DVDs, wird sich die Masse nicht zum Wechseln veranlasst fühlen, sei das Bild auch noch so schön.

Demnach gibt es schon zwei Gründe, weshalb sich der Erfolg der Blu-ray merkbar hinauszögern könnte. Zum einen müssen HD-Fernseher erst die kritische Masse erreicht haben, was sich auch durch die Verschiebungen bei der HD-Ausstrahlung von Fernsehsendern im europäischen Raum zusätzlich verzögern könnte. (Anm.: Jüngst empfahl aufgrund dessen auch die Konsumentenimformationssendung c‘t-TV mit der Anschaffung eines neuen Fernsehers so lange wie möglich zu warten.) Und zum anderen wird es – der noch geringen Nachfrage wegen – dauern, bis die Preise der Blu-rays purzeln. 2007 machten die neuen Medien (inklusive HD-DVD) lediglich ein Prozent des gesamten DVD-Marktes aus.

Gut Ding braucht…

Alles halb so wild, der Markt braucht eben seine Zeit, um sich zu entfalten. Durch den Sieg der Blu-ray erwarten Branchenbeobachter schließlich einen deutlichen Anstieg der Absatzzahlen. Allein in den USA sollen 2008 laut HMR Research bereits 15 Millionen Scheiben über die Theke wandern – Immer noch wenig im Vergleich zu den knapp 1,7 Milliarden DVDs aus dem Jahr 2007. Die Abspielgeräte sind zwar auch noch vier- bis fünfmal teurer als aktuelle DVD-Player, aber der starke Wettbewerb wird über kurz oder lang schon für die passenden Relationen sorgen. Doch Zeit ist das Einzige, was die Blu-ray nicht hat, meinen die Kritiker.

Wettrennen

Denn das entschiedene Rennen zwischen Blu-ray und HD-DVD könnte übergehen in einen Wettkampf zwischen Blu-ray und alternativen Vertriebskanälen über das Internet. Gleich mehrere Großkonzerne glauben an die Zukunft der digitalen Distribution. Neben Kabel-TV-Anbietern will allen voran Apple sein Erfolgsrezept aus dem Musikvertrieb auf Videos übertragen. Erst im Jänner stellte man die zweite Generation der Video-Box AppleTV vor. Sämtliche großen Studios werden darüber ihre Filme verkaufen, auch in "HD".

Nach dem Niedergang der HD-DVD setzt Langzeitrivale Microsoft nun auch verstärkt auf das Internet und vertreibt bereits Filme über seinen Xbox Live-Marktplatz. Dass man mit einem HD-DVD-Zusatzlaufwerk für die Konsole aufs falsche Pferd gesetzt, bereuen die Redmonder nicht – die Zukunft gehöre so und so der Online-Distribution. Ein eigenes Blu-ray-Laufwerk sei zumindest im Moment nicht angedacht.

Zuletzt sprach sich der Chef-Entwickler der Audio-Zertifizierungsfirma THX gegen die Blu-ray aus. Es sei "kein weiteres Disc-Format nötig", ließ er die Leser von Home Cinema Choice wissen. Wenn Blu-ray reif für den Massenmarkt sei, gäbe es bereits Flash-Medien mit 128 GB Speicherplatz. Darauf ließen sich mehrere HD-Filme speichern und Kunden könnten im Geschäft jederzeit neue Filme auf Speicherkarten oder USB-Sticks aufspielen lassen. Auch Online-Videotheken seien für die Filmstudios eine interessantere Alternative zu Blu-ray.

Im Jänner (vor dem Ende des Formatstreits) hatte auch Seagate-CEO Bill Watkins das Ende der optischen Datenträger prognostiziert. Das zeige sich daran, dass die meisten Konsumenten weder Blu-ray- noch HD-DVD-Abspielgeräte kaufen. "Bevor es dazu kommt, werden Unternehmen ausgereifte On-Demand und IPTV-Lösungen anbieten", meinte der Chef des Festplattenherstellers.

Dass die Online-Distribution in Zukunft unumgänglich sein wird, weiß aber auch Sony. Videos und Filme sollen künftig über die PS3 vertrieben werden.

In den Startlöchern

Bislang stecken die Online-Distributionswege für Videos allerdings genauso wie das DVD-Nachfolgeformat in den Kinderschuhen. Auch hier sind die Erwartungen der Unternehmen und Marktforscher groß. Research and Markets schätzt, dass bis 2011 bereits Filme und Videos im Wert von 726 Millionen US-Dollar allein über die Xbox verkauft werden. Offizielle Zahlen gibt es bislang nicht. Apple hingegen gibt sich zurückhaltender. AppleTV sei vorerst eine Art Hobby, da man selbst erst herausfinden müsse, wie man Filme erfolgreich als Download verkauft. Gelungen sei dies aus Sicht des Konzerns noch niemandem. Der Vorteil der Online-Distribution läge dennoch auf der Hand: Es sei schlicht bequemer auf einen Knopf zu drücken, als ins Geschäft zu gehen.

Ecken und Kanten

Während sich die Blu-ray zurzeit vorwiegend am eigenen hohen Preis spießt, ist der Erfolgsweg für Download-Filme auch noch alles andere als geebnet. Das liegt beispielsweise an der weltweit mangelnden Verfügbarkeit von Inhalten. Während US-Konsumenten bereits AppleTV und Xbox-Live in vollen Zügen konsumieren können, steht dem Rest der Welt das Angebot noch gar nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung.

Auch dürften Download-Dienste in den nächsten Jahren keine Alternative zur Kauf-DVD/Blu-ray sein. Erstens sind die meisten verfügbaren Download-Filme lediglich in Leihversionen vorhanden und zweitens ist gerade das Herunterladen und Speichern von HD-Filmen noch äußerst unpraktikabel. Selbst bei hoher Komprimierung verschlingen hoch aufgelöste Inhalte in Spielfilmlänge rund acht bis neun Gigabyte Speicherplatz. Wobei eine starke Komprimierung das Konzept HD wiederum ad absurdum führt, da dann zwar das Bildformat stimmt, jedoch Farbverläufe und Kontraste zu Wünschen übrig lassen. Filme in Blu-ray-Größe von 25 bis 50 Gigabyte herunterzuladen, ist mit den durchschnittlich verfügbaren Bandbreiten und Festplattenkapazitäten sowieso unrealistisch.

Keine Totgeburt, aber…

Die Aussichten für Blu-ray sind demnach nicht so trüb, wie vielerorts (auch aus eigenem Interesse) angepriesen. Die Marktanalysten David Mercer und Peter King glauben, dass nicht zuletzt die PlayStation 3 für einen Absatzschub sorgen wird. Bis Ende 2009 soll das neue Format – zum Teil stark getrieben durch die Konsole – in 29 Millionen Haushalten Einzug halten. Bis 2012 werden den Schätzungen nach gar 132 Millionen Haushalte Blu-ray-Abspielgeräte (PS3, PC, BR-Player) ihr Eigen nennen. Europa soll dabei noch vor der USA und Japan der wichtigste Markt für das neue Format werden.

Dass der Erfolg der Blu-ray ähnliche Ausmaße erreicht, wie einst jener der DVD, ist anzuzweifeln. Denn, wie das Branchenportal Cnet unlängst analysierte, dürfte sich der Großteil der bisher gedrehten Filme nach der DVD nicht noch einmal auf einem optischen Speichermedium verkaufen lassen. War zurzeit der Videokassette der Wunsch nach Digitalisierung der alten Bestände noch groß, fiele dieser Aspekt bei der Blu-ray weg.

Koexistenz

So ist zu vermuten, dass Downloads und Blu-rays in den kommenden Jahren koexistieren werden. Der Wunsch, seine Lieblingsfilme auf physischen Datenträgern zu besitzen und zu sammeln, ist nach wie vor ungebrochen. Sollten es die Medienkonzerne und Technologie-Unternehmen schaffen ein weltweites, massentaugliches Online-Distributionssystem auf die Beine zu stellen, dürfte die Leih-DVD/Blu-ray schon bald der Vergangenheit angehören.

Doch genau wie vor kurzem noch Toshiba und Sony sich selbst und der Marktverbreitung Knüppel zwischen die Beine warfen, machen es heute die Online-Dienste und die dahinterstehenden Industrien nicht besser. Wurde die Entscheidung bei optischen Medien für den Konsumenten bereits gefällt, sieht es nicht so aus, als könnte man sich in absehbarer Zeit auf einen Standard bei der Online-Distribution freuen. Die Qual der Wahl fängt von Neuem an, die Ungewissheit, auf welches Pferd man setzen soll, besteht online weiterhin. Umso länger dieser Prozess dauert, desto besser für die Blu-ray. (Zsolt Wilhelm)