Drive-By Truckers: "Brighter Than Creation's Dark" (New West/Blue Rose/Hoanzl 2008)

Foto: New West Records

Zu Patterson Hood und Mike Cooley gesellt sich nun Bassistin Shonna Tucker als Songlieferantin und Sängerin.

Foto: Jason Thrasher

Der legendäre Muscle-Shoals-Keyboarder Spooner Oldham hat mit den Drive-By Truckers nicht nur im Studio, sondern auch auf der Bühne gemeinsame Sache gemacht.

Foto: Jason Thrasher
Den Drive-By Truckers verdankt sich die Wiederbelebung und Erweiterung eine längst tot geglaubten Genres: des Southern Rock. Dass das geht, hat die in Georgia beheimatete Band unter anderem mit dem wahnwitzigen, an Lynyrd Skynyrd angelehnten Konzeptalbum "Southern Rock Opera" (2001) bewiesen. Etwas kaum weniger Unwahrscheinliches ist den Drive-By Truckers mit ihrem jüngsten Album "Brighter Than Creation's Dark" gelungen, nämlich trotz eines personellen Aderlasses ein Meisterwerk einzuspielen.

Rock with Soul

Zu den Trümpfen der Band, die ihr Debüt "Gangstabilly" 1998 veröffentlichte, zählt, dass hier gleich drei Songwriter und Sänger am Werk sind. Mit ihrem in Ironie getränkten Amalgam aus R&B, Rock und Country-Einflüssen konnten sich die Musiker rasch als Lieblinge der No-Depression-Szene etablieren. 2007 verließ mit Jason Isbell schließlich ein wichtiger Songschreiber und Gitarrenkönner die Gruppe. In die Bresche springen sollte neben Frontman Patterson Hood und Gitarrist Mike Cooley ausgerechnet Isbells Exfrau Shonna Tucker, die zuletzt bereits als Bassistin an Bord war und nun als Sängerin wie Songwriterin in der ersten Reihe steht.

In die turbulente Phase der Neuorientierung fiel auch die Arbeit als Begleitband von Soul-Legende Betty LaVette für deren Album "The Scene Of The Crime". Bei dieser Gelegenheit konnten die Drive-By Truckers einen mit den Muscle Shoals Sound Studios assoziierten Ausnahmemusiker für eine weitere Zusammenarbeit gewinnen: Keyboarder Spooner Oldham, auf unzähligen Soul-Klassikern von Aretha Franklin und Wilson Pickett, aber auch auf Alben von Bob Dylan oder Neil Young zu hören, ging mit den Jungspunden nicht nur für das neue Album mit ins Studio, sondern begleitete die Band auch auf einer parallelen Tour, auf der die neuen Songs gleich live erprobt wurden. Als Dank hat die Band "Brighter Than Creation’s Dark" Oldham gewidmet.

Blick auf den Alltag

Gleich der Opener "Two Daughters And A Beautiful Wife" darf als Musterbeispiel des exquisiten Zusammenspiels der Band und ihres Gasts gelten. Vor dem Hintergrund von Akustikgitarre und Beserlschlagzeug entfaltet Hood mit seiner drängenden Stimme eine vom Mord an einer befreundeten Familie inspirierte, zarte Ballade, deren Umschlag ins Unheimliche von Tuckers Harmoniegesang, Banjo- und Pedal-Steel-Akzenten und Oldhams Piano-Einsprengseln perfekt in Szene gesetzt wird. Eine ganz andere, aber wohl vertraute Gangart schlagen die Drive-By Truckers gleich anschließend mit "3 Dimes Down" an, einer tief gelegten, gut im Saft stehenden Rocknummer samt Slide- und Fuzz-Gitarre-Gegreine und der schön plastischen Beschreibung "while chicken wing puke eats candy apple red off his Corvette".

Zwischen Ernst und liebevoller Ironie changiert auch der Rest das Albums, das es auf nicht weniger als 19 Songs bringt. Bei aller Verschiedenheit verstehen sich alle drei Songwriter auf den genauen Blick auf das heutige Amerika der Suburbs, auf Durchschnittsexistenzen und ihre alltäglichen Wirrnisse, vom fernsehgläubigen Bush-Wähler ("The Righteous Path") über den dem Alkohol zugeneigten Familienvater ("Daddy Needs A Drink") bis zum ewigen Muttersöhnchen ("Bob") und Drug Addict ("You And Your Crystal Meth"). Zwei Songs beziehen sich explizit auf den Irak-Krieg, einmal aus der Perspektive eines US-Soldaten ("That Man I Shot" – eine wuchtige Gitarrennummer, die Crazy Horse zur Ehre gereichen würde) und in "The Home Front" aus der Sicht einer betroffenen Familie. Das eigene Milieu reflektiert die Band in dem schönen "Opening Act", während der Schluss – was könnte für ein meisterliches Americana-Album passender sein? – dem "Monument Valley" der John-Ford-Western gehört. Die beste Höranleitung für das musikalische Kaleidoskop von "Brighter Than Creation's Dark" kommt übrigens von Band-Chef Patterson Hood selbst: "It's a grower so play it loud and play it often. Long Live Rock and Roll". (Karl Gedlicka)