Und wo, um eine berühmte Frage zu stellen, bleibt das Positive? Jetzt nicht sudern wie Gaby Schaunig, Erich Haider oder jene, die aus einem Pawlow'schen Reflex heraus um ihre Vermögenszuwächse zittern! Überreichlich hat sich diese Woche ein Füllhorn an Wohltaten über das Land ergossen, leicht vorbei am heiß umfehdeten Mittelstand zwar, aber allein das endgültige Ende der Doppelconférence nach dem Ministerrat verheißt eine bessere Zukunft unter einer Koalition, die sich ab sofort dem Wagnis der Arbeit verschrieben haben will. Woher dieser plötzliche Wandel in den Seelen von Personen, an deren Überzeugungen und Funktionen sich doch nichts geändert haben wird? Noch dröhnt in unseren Ohren Alfred Gusenbauers Fernsehultimatum von der Steuerreform schon 2009, noch beben die Herzen beim Schock der Vorstellung, an einem 1. Juni demokratischen Pflichten nachkommen zu müssen.

Und nun - nichts davon. Stattdessen ein Neustart. Der dritte erst, wie Statistiker dieser Koalition errechnet haben wollen. Dabei ist weiter nichts passiert, als dass Kanzler und Vizekanzler über ihre Schatten gesprungen sind, was keine Kunst war, weil dieser keinen großen wirft und jener den seinen schon beim Erststart verkauft hat, um sich damit als Schlemihl dieser Legislaturperiode zu positionieren.

Der Verzicht auf eine Steuerreform 2009 muss durch die Senkung des Dienstgeberanteils für die Arbeitslosenversicherung und durch die Vorziehung einer noch nicht definierten Pensionserhöhung um ganze 2 (in Worten zwei) Monate aufgewogen sein - anders hätten jene SPÖ-Politiker, die Gusenbauer zu seiner televisionären Selbsterhaltungstriebtat gepeitscht haben, jetzt wohl kaum zugestimmt. Der eine oder andere zeigte sich sogar voll zufrieden mit dem guten Paket, und der Wiener Bürgermeister rühmte die Schützenqualitäten des Kanzlers, der diesmal halt "wie beim Pistolenschießen höher anhalten musste, um ein Ziel zu erreichen".

In der SPÖ versteht man es eben noch, Rohrkrepierer als Treffer zu feiern. Mit einer Vermögenszuwachssteuer, die laut ÖVP eh nur dann kommen soll, "wenn zuvor alle Effizienzpotenziale ausgeschöpft sind", und bei der man, wie Gusenbauer es formulierte, "die Freunde in den Krankenkassen nicht so einfach aus ihrer Pflicht entlassen" werde, wird sich die finanzielle Gesundung des Gesundheitswesens sehr wahrscheinlich über den November 2008 hinziehen, für den sie als einer von 95 Punkten versprochen ist, die, nach Monaten aufgelistet, noch heuer abgearbeitet werden sollen. Aber - Neustart! - ruckzuck.

Und damit Gusenbauer bis 2010 nie mehr zur Pistole greifen muss, hat man sich ein sensationelles Selbstdisziplinierungsprogramm auferlegt.

Das Kanzlerfrühstück vor dem Ministerrat am Mittwoch ist ebenso gestrichen wie das rhetorische Gabelfrühstück nach dem Ministerrat. Probleme wollen Kanzler und Vize künftig schon am Montag mit ihren Koordinatoren lösen, eine Jause wird schon drin sein. Weitere Problemlösung am Dienstag in den Fraktionen, damit Kanzler und Vize mittwochs gelöst vor die Presse treten können - aber vor dem Ministerrat, wenn man schon weiß, welche Probleme, weil ungelöst, die Ministerratsruhe nicht gefährden werden.

Und wenn der Neustart nichts bringt außer dieser genialen Zeitenfolge, hat er seinen Zweck erfüllt. Eine Koalition, die so regiert, schon im Jahre 2010 auslaufen zu lassen wäre ein unverzeihliches Fehlverhalten der Wähler, sie würden sich damit glatt um das Vergnügen bringen, noch einmal vom selben zu bekommen - dann aber nicht nur vier, sondern gleich fünf Jahre. Verdient hätten sie sich diese Verlängerung nach ihrem letzten Fauxpas nicht. Deshalb wurden sie strafweise gar nicht erst gefragt. (Günter Traxler/DER STANDARD, Printausgabe, 28.3.2008)