Wien – Die türkische Wirtschaft ist in Hand von Familienclans. Koç ist der mächtigste – und er zieht weltweit seine Fäden. Der Konzern stellt Autos, Waschmaschinen und Fernseher her. Er liefert Energie, führt Banken, Baufirmen, Tankstellen. Er bietet Finanzdienste und investiert in Tourismus. Wer mit der Türkei Geschäfte machen will, kommt an ihm nicht vorbei.

Start mit dem Bauchladen

Mit einem Bauchladen hat alles begonnen: 1917 überzeugte der 16-jährige Vehbi Koç seinen Vater, einen Gemischtwarenhandel in Ankara zu eröffnen. Bald schon übte er sich in Kooperationen mit Konzernen wie Ford und Standard Oil. Mit General Electric errichtete er in der Türkei ein Glühbirnen-Werk, gründete Arçelik, später einen Stahlproduzenten, den ersten türkischen Autohersteller und den heute größten türkischen Gaslieferanten. Die Stiftung der Familie unterhält zudem Universitäten, Schulen, Museen und Naturparks.

Auch in Österreich mischen die Koçs kräftig mit. Im Elektrohandel etwa: Tochter Arçelik kaufte 2002 Elektra Bregenz von der insolventen französischen Moulinex-Brandt. Die 220 Mitarbeiter des Traditionsbetriebs in Tirol passten nicht in den Expansionsplan. Das Werk in Schwaz wurde 2003 aufgelassen, produziert wird seither in der Türkei. Elektra Bregenz könne in Tirol nicht mehr zu marktkonformen Preisen fertigen, hieß es damals. Geblieben ist allein eine Vertriebsfirma in Wien.

Grundig soll wiederbelebt werden

Viel Hoffnungen setzt Koç in Grundig. Die Gruppe übernahm Ende 2007 über Beko Elektronik alle Anteile des in Konkurs geschlitterten Konzerns. Auch Beko rutschte dadurch in die roten Zahlen, mit dem Abbau hunderter Jobs soll die Rückkehr in die Gewinne gelingen. Die Marken Grundig und Elektra Bregenz seien stark beschädigt, sagen österreichische Elektrohändler. Bedeutend seien sie dennoch, wenngleich viele Fachgeschäfte aufgrund der Dumpingpreise die Finger von ihnen lassen. Die Supermarktkette Migros hat Koç an britische Investoren verkauft. Heuer soll auch die Versicherungstochter Yapi Kredi Sigorta abgegeben werden. Im Gegenzug ist der Bau des ersten türkischen Atomkraftwerks geplant.

Der Koç-Clan zählt zu den reichsten Familien der Türkei. 88.000 Mitarbeiter setzen rund 26 Mrd. Euro um. Koç stellt damit gut acht Prozent der türkischen Exporte, der Gruppenumsatz entspricht knapp einem Achtel des BIP des Landes. Den Schritt gibt derzeit Mustafa Koç vor, Chairman der dritten Generation. Manager von außen waren stets willkommen, etwa Ex-Nestlé Chef Helmut Maucher oder Dieter Urban von Siemens. Neuer Aufsichtsratschef des Konzerns wird Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer. Koç vertraut ihm trotz Korruptionsaffaire. (Verena Kainrath, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 28.3.2008)