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Generaldirektor Günter Geyer

Foto: AP/Zak
Günter Geyer hat in den vergangenen sieben Jahren seine Umgebung verblüfft. Dem jahrelang unauffällig im Hintergrund seines ehemaligen Chefs Siegfried Sellitsch agierenden Manager hätte es kaum jemand zugetraut, dass er aus der Wiener Städtischen die Vienna Insurance Group formt und diese an die Spitze in Zentral- und Osteuropa führt. Mit der Verdrängung des Branchenriesen, der Münchner Allianz, vom ersten Platz in der Region gelang dem 64-Jährigen ein Meisterstück.

Geyer, der 1974 in das Versicherungsunternehmen eintrat, arbeitete bereits ab 1989 am Einstieg im Osten mit. Als er Ende 2001 Sellitsch auf dem Chefsessel nachfolgte, entwickelte er eine erfolgreiche Strategie für die Region - mit dem Ergebnis, dass die Versicherung heute in 23 Ländern mit rund 21.000 Mitarbeitern agiert und ein Vermögen von 22 Milliarden Euro verwaltet.

Der Grund für den überraschenden Wechsel von Sellitsch zu Geyer wurde nie bekannt. Was man weiß, ist, dass Geyer nach seinem Amtsantritt ein besonderes Problem zu lösen hatte: Die Städtische besaß reichlich Bank-Austria-Aktien - als die HypoVereinsbank die Bank übernahm und selbst in Probleme geriet, verfiel der Aktienkurs massiv. Die Städtische verlor durch das Engagement über 300 Millionen Euro. Zum Vergleich: Das Ergebnis erreicht damals gerade 20 Millionen - heute sind es 437 Millionen. Geyer zog einen Schlussstrich, trennte sich von der BA-CA und begann ein neues Kooperationsmodell mit der Erste Bank, das nun mit der Übernahme ihrer Versicherungssparte perfektioniert wurde.

Persönlich lebt Geyer - verheiratet, zwei Töchter, ein Enkel - bescheiden. Auf Partys oder Society-Events wird man ihn nicht antreffen. Sein Hobby, das Bienenzüchten, hebt er sich für die Pension auf. Er habe, sagen Mitarbeiter, ein enormes Sensorium für Leute und Stimmungen. "Er weiß, wie er mit dir umgehen muss", sagt einer, der ihm nahesteht. Und Geyer entwerfe seine Strategie nie kurzfristig, sondern über Jahre hinweg und bringe sie dann zum Abschluss. Ein Familienmensch sei er, obwohl er sich Berge an Arbeit mit nach Hause nehme. Und im Urlaub besucht er mit seiner Frau die Filialen im Ausland.

Er habe ein hohes Maß an Selbstdisziplin, beherrsche seine Emotionen sehr gut - und was Geyer ganz wichtig ist: dass er Leute um sich hat, auf die er sich verlassen kann. Genauso wie auf "seinen Eigentümer", den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der 70 Prozent der Aktien hält und das mit ziemlicher Sicherheit noch sehr lange tun wird.

Unter Geyers Führung werden die Gewinne in jenen Ländern, wo sie erzielt werden, wieder reinvestiert und nicht nach Wien "abgesaugt". So bleibt die Städtische ihrem Grundsatz treu, stets ein lokaler Versicherer zu sein. (Claudia Ruff, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 28.3.2008)