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Die irakische Armee versucht die Kontrolle über den Südirak von der Mahdi-Armee zurückzugewinnen - hier in Kut. In Basra gab es dutzende Tote bei Kämpfen.

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Bert Nussbaumer: laut Außenministerium keine neuen Erkenntnisse über sein Schicksal.

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Als der Österreicher Bert Nussbaumer 2006 im Irak verschleppt wurde, waren die Entführungen von Ausländern bereits rückläufig - weil es kaum mehr welche gab, die sich im Land frei bewegten.

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Bagdad/Wien - Etwa 310 entführte Ausländer seit 2003 im Irak, davon etwa 55 tot und 90 nicht wiederaufgetaucht: Die Statistik ist niederschmetternd, und nun kommen weitere Tote dazu. Die Leichen von mindestens zwei entführten US-Bürgern, beides Sicherheitsmänner, wurden laut FBI identifiziert. Einer davon ist einer der vier Amerikaner, die zusammen mit dem Österreicher Bert Nussbaumer im November 2006 im Südirak verschleppt wurden.

Als Nussbaumer und seine Kollegen bei Basra verschwanden, war die Statistik schon rückläufig: Das schlimmste Jahr war 2004 mit 149 entführten Ausländern, die Zahl ging 2005 auf 99 zurück. 2006 gab es kaum mehr Ausländer im Irak außerhalb der grünen Zone in Bagdad: außer Soldaten und Sicherheitsmännern.

Auch etliche US-Soldaten gerieten in die Gewalt von sunnitischen Aufständischen, sie wurden alle grausamst umgebracht, oft wurden ihre gefolterten Körper danach auch noch als Sprengfallen präpariert. Bei den mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Schiiten entführten Gruppe im Südirak, zu der auch Nussbaumer gehörte, hatte man die Hoffnung, dass sie als Verhandlungsgut eingesetzt werden würden. Anders als sunnitische Organisationen hatten schiitische nicht zur Terrorverbreitung (etwa die Enthauptungen vor laufender Kamera) getötet. Bei den Entführern Nussbaumers bestand eher die Gefahr, dass sie so sehr unter Druck gerieten, dass sie die Geiseln einfach "verschwinden" lassen würden.

Wie viele Iraker seit 2003 entführt wurden, dazu gibt es keine Zahlen, jedenfalls sind es tausende. Das Phänomen trat sofort nach dem Fall des Regimes im April 2003 auf. Damals wurden vor allem Frauen und Kinder verschleppt, viele davon wurden nie wieder gesehen. Dann begann die Welle von Entführungen irakischer Geschäftsleute, die sehr oft nach Lösegeldzahlungen freikamen. Auch Ausländer wurden freigekauft - es kam aber auch zu Tötungen zu Propagandazwecken, wie im Fall von Margret Hassan, der mit einem Iraker verheirateten britischen Care-Mitarbeiterin, die im Herbst 2004 verschleppt und umgebracht wurde.

Vieles spielte sich in einer Grauzone zwischen politischen Entführungen und bloßem Entführungsgeschäft ab: Dutzende Gruppen mit islamischen Fantasienamen gingen im Namen des Widerstands auf Opferjagd. In mehreren Fällen wurden Entführte, vor allem Ausländer, von Kriminellen an politische Gruppen weiterverkauft, womit ihre Überlebenschancen schwanden. Heute, da diese Entführten quasi ausgehen, hat sich ein anderer grausamer Handel entwickelt: der mit Leichen und Leichen- und Körperteilen, die angeblich von Entführten stammen.

Kriminalität und die von ihr verursachte Unsicherheit wird von Irakern oft als das größte Übel nach 2003 bezeichnet, noch vor der politischen Gewalt. Gerade in Basra, wo am Wochenende schwere Kämpfe zwischen schiitischen Milizen und der irakischen Armee ausbrachen, vermischt sich jedoch beides: Die Banden, die um die Kontrolle kämpfen, rechnen sich zwar politischen Gruppen zu, in Wahrheit geht es aber mindestens ebenso sehr um die Einkommen aus Kriminalität. Im Südirak befeuert das Öl - vergleichbar den Drogen in Afghanistan - Warlordismus und Mafias.

In Basra ist die Sicherheitslage seit 2006 kontinuierlich nach unten gerutscht, mit einer leichten Verbesserung zur Zeit der britischen Offensiven vor dem Rückzug auf eine Militärbasis bei Basra im Dezember und einer Art von Grabesruhe - mit Morden an Zivilisten, vor allem Frauen, wegen unislamischen Verhaltens -, nachdem die Mahdi-Armee von Muktada al-Sadr ihre Kontrolle über die Stadt durchgesetzt hatte. Nun versucht die irakische Regierung die Macht zurückzuerobern, wie es heißt, vorderhand ohne britische militärische Unterstützung.

Sadr ruft zur Ruhe auf, zuletzt häufen sich aber die Spannungen zwischen Sadristen und Regierung - was ihren Waffenstillstand, der bedeutend zur Verbesserung der Sicherheitslage in anderen Teilen des Irak beigetragen hat, gefährden könnte. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 26.3.2008)