Oskar Reichel: Drei Romakos

Romako: "Akt eines jungen Mädchens", "Nike mit Kranz" (1875).

Causa: Oskar Reichel, geboren 1869, war vor 1938 einer der wichtigsten Sammler zeitgenössischer Kunst, er engagierte sich besonders für das Werk von Anton Romako. Aufgrund der NS-Verfolgung war er gezwungen, seine Sammlung zum Teil zu veräußern. Der Rest wurde ihm entzogen. Er starb 1943 in Wien. Seine Frau überlebte das KZ Theresienstadt und emigrierte 1945 in die USA. 1952 kaufte Leopold drei Romakos, die Reichel gehört hatten, direkt oder über Umweg vom Kunsthändler und NS-Kollaborateur Wolfgang Gurlitt: Nike mit Kranz, Die Quelle und Akt eines jungen Mädchens. Woher Gurlitt die Bilder hatte, ist nicht klar. Die Provenienzangaben der Stiftung Leopold (Neue Galerie) sind zweifelhaft.

Conclusio Graf: Die Frage, ob Leopold derivativ oder gutgläubig Eigentum erworben hat, ist nicht zu beantworten. Da es sich aber um entzogene Werke handelt, wären sie bei einer Ausdehnung des Rückgabegesetzes auf die Stiftung zu restituieren.

Fotos: Privatstiftung Leopold

Heinrich Rieger: Schiele-Zeichnung

Schiele: "Frau in Unterwäsche, sich links aufstützend" (1917).

Causa: Die Kunstsammlung von Heinrich Rieger umfasste unter anderem 150 Blätter von Egon Schiele. Nach der Machtergreifung 1938 versuchte Rieger sie zu verkaufen; einen Teil übernahm der "Ariseur" Friedrich Welz. Rieger wurde im September 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, wo er wenige Wochen später starb. Sein Sohn erhielt nach 1945 Teile der Sammlung (darunter irrtümlich auch das Bildnis Wally) zurück; die Schiele-Blätter blieben jedoch weitgehend verschollen. Eines davon (Frau in Unterwäsche, sich links aufstützend), erwarb Leopold 1981 von der Galerie Nagl in Wien.

Conclusio Graf: Die gleiche wie beim Fall Oskar Reichel.

Foto: Privatstiftung Leopold

Georg Duschinsky: Zwei Egger-Lienz

Albin Egger-Lienz: "Waldinneres" (1910) und "Nach dem Friedensschluss (Entwurf)" (1902).

Causa: Georg Duschinsky, 1888 geboren, war Felle- und Raulederhändler. Er befand sich Mitte März 1938 in London - und kehrte nicht nach Wien zurück. Seine Villa in der Cottagegasse 39 wurde geplündert, das Vermögen eingezogen. Duschinsky besaß u.a. sechs Werke von Albin Egger-Lienz. Drei davon - Totentanz, Waldinneres und Nach dem Friedensschluss - kamen nach Klagenfurt. Duschinsky wurde 1942 in Nizza verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Nach dem Krieg erhielt sein Sohn Ernst mehrere Kunstwerke zurück. Auch das Eigentum an den drei erwähnten Bildern wurde anerkannt. Es kam aber nicht zur Restitution: Duschinsky wurde zu einem Kuhhandel genötigt. 1989 erwarb Leopold Waldinneres und Nach dem Friedensschluss vom Land Kärnten.

Status quo: Seit 2003 fordert der Wiener Anwalt Alfred Noll im Namen der Erben die drei Bilder zurück.

Fotos: Privatstiftung Leopold

Oskar Neumann: "Die Bergmäher"

Albin Egger-Lienz: "Die Bergmäher (I. Fassung)" (1907).

Causa: Der Architekt Oskar Neumann, geboren 1879, lebte mit seiner Frau Therese in der Himmelstraße 43. Deren Sohn Georg war gleich alt wie Rudolf Leopold, der in unmittelbarer Nähe (Cobenzlgasse 16) aufwuchs. Die beiden sollen sich gekannt haben. Neumann besaß eine umfangreiche Kunstsammlung (darunter 158 Ölgemälde), die im September 1938 im Zuge eines Ansuchens um Ausfuhrbewilligung nach Paris erfasst wurde. Drei Bilder von Albin Egger-Lienz befanden sich zu jener Zeit nicht in Wien: Noch vor dem "Anschluss" hatte Neumann Die Bergmäher, Mann und Weib sowie Totentanz für eine Ausstellung nach Klagenfurt verliehen. Dort wurden sie im Oktober 1938 "sichergestellt". Die Gauleitung erwarb Mann und Weib und schenkte das Bild Hitler zum 50. Geburtstag: Es befindet sich nach wie vor in der Kärntner Landesgalerie - als einstige "Leihgabe des Führers". Zur Flucht kam es nicht: Neumann übertrug sein Eigentum an seine Frau, eine "Nichtjüdin", sowie seinen Sohn und ließ sich anglikanisch taufen. Er starb im Oktober 1951. Leopold kaufte Die Bergmäher 1970 in der Galerie Schebesta.

Conclusio Graf: Leopold erwarb derivativ Eigentum. Da es sich aber um ein entzogenes Kunstwerk handelt, wäre es bei einer Ausdehnung des Rückgabegesetzes zu restituieren.

Foto: Privatstiftung Leopold

Lea Bondi-Jaray: "Bildnis Wally"

Seit 1998 beschlagnahmt: Egon Schieles "Bildnis Wally" (1912).

Causa: Das Bildnis Wally von Egon Schiele befand sich im Privateigentum der Wiener Kunsthändlerin Lea Bondi-Jaray. Am 3. April 1938 verkaufte sie die Galerie Würthle an den Salzburger NS-Kollaborateur Friedrich Welz, dem Bondi-Jaray auch das Wally-Porträt zu übergeben hatte. Nach dem Krieg wurde das Bild irrtümlich an den Sohn von Heinrich Rieger restituiert (obwohl es US-Zweifel an der Zuordnung gab, denen das Denkmalamt aber trotz Aufforderung nicht nachgegangen war) - und dieser verkaufte es 1950 an die Österreichische Galerie. Lea Bondi-Jaray bat Rudolf Leopold 1953 um Unterstützung bei ihrem Vorhaben, ihr Eigentum zurückzubekommen. Dennoch erwarb er es ein Jahr später im Tausch von der ÖG. Nach der Ausstellung 1997/1998 im Museum of Modern Art in New York forderten die Bondi-Erben das Bild zurück, das daraufhin beschlagnahmt wurde. Conclusio Graf: Es liegt weder ein Gutglaubenserwerb vor, noch konnte Leopold bzw. die Stiftung aufgrund der rein faktischen Vorgänge derivativ Eigentum erlangen. Bondi-Jaray und ihre Erben haben das Eigentum an der Wally nicht verloren.

Status quo: Der Prozess dauert bis heute an. Die Kosten für die Stiftung betragen mehrere Millionen Euro.

Foto: Privatstiftung Leopold

Jenny Steiner: "Häuser am Meer"

Bisher keine Einigung: Egon Schieles "Die Häuser am Meer" (1914).

Causa: Jenny Steiner, geboren 1863, war eine Förderin zeitgenössischer Kunst. Nach dem "Anschluss" im März 1938 floh sie über Brasilien in die USA. Unter den Kunstgegenständen, die sie in ihrer Wohnung zurücklassen musste, befanden sich auch Werke von Klimt und Schiele. Sie wurden von der NS-Vermögensverkehrsstelle sichergestellt und in der Folge veräußert. Im Schiele-Werkverzeichnis von Otto Nirenstein (1930) wird Jenny Steiner als Eigentümerin von Die Häuser am Meer angeführt. 1950 stieß Rudolf Leopold auf diesen Werkkatalog. Drei Jahre später kaufte er das Bild von Johann Ernst an. Dessen Eltern hatten es 1941 im Dorotheum ersteigert.

Conclusio Graf: Das Ehepaar Ernst hat durch den Erwerb im Dorotheum derivativ Eigentum erworben. Dessen Erbe konnte es auf Rudolf Leopold übertragen. Da es sich aber um ein entzogenes Kunstwerk handelt, wäre es bei einer Ausdehnung des Rückgabegesetzes zu restituieren. Status quo: Leopold erklärte zwar schon vor Jahren, dass er bereit sei, "eine gute, für beide Teile befriedigende Lösung anzubieten". Die bisher angebotene Summe stelle aber, so der Anwalt Alfred Noll, "einen gegenüber dem Wert des Bildes unangemessen niedrigen Betrag" dar.

Foto: Privatstiftung Leopold

Karl Mayländer: Vier Schiele-Blätter

Von li. nach re. und oben nach unten: Schiele-Selbstbildnisse: "mit Ärmelschonern" und "in weißem Anzug" sowie Schieles "Jünglingsakt" und "Sitzender Bub mit gefalteten Händen".

Causa: Karl Mayländer, 1872 in Wien geboren, war Textilkaufmann, ledig und hatte keine Kinder. Nebenbei arbeitete als Kunstkritiker. Er besaß zumindest 18 Werke von Egon Schiele. Am 23. Oktober 1941 wurde er mit seiner Schwester nach Lódz deportiert. Rudolf Leopold kaufte nach dem Krieg von Etelka Hofmann bis zu ihrem Tod 1966 drei Blätter aus der Sammlung Mayländer: Sitzender Bub mit gefalteten Händen; Selbstbildnis mit roten Haaren und gestreiften Ärmelschonern sowie Rückenansicht eines vorgebeugten Jünglingsaktes. 1968 erwarb er über den Kunsthändler Serge Sabarsky das Selbstbildnis in weißem Anzug mit Panama-Hut. Nach Angaben Leopolds war Etelka Hofmann die Lebensgefährtin von Mayländer. Die Werke seien zwei Tage vor Mayländers Deportation in ihren Besitz übergegangen. Beweis für diese Behauptung gibt es keinen.

Conclusio Graf: Die Werke wären bei einer Ausdehnung des Rückgabegesetzes auf die Stiftung zu restituieren. Falls Leopold nicht derivativ Eigentum erworben hat, wäre das Gesetz sogar unmittelbar anwendbar. (Thomas Trenkler/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25. 3. 2008)

Fotos: Privatstiftung Leopold