Wien - Der chinesische Botschafter in Österreich, Wu Ken, hat sich "schockiert" gezeigt über die Eskalation eines Tibet-Protestes vor der Botschaft in Wien, bei dem am Donnerstag ein exil-tibetischer Demonstrant in das Gebäude eingedrungen war und die chinesische Fahne von der Hausfront heruntergerissen hatte. Der Diplomat legte im Rahmen eines Gesprächs mit Außenministerin Ursula Plassnik am Nachmittag Protest ein. Plassnik hatte den Botschafter ins Außenamt gebeten, um die Sorge über die Lage in Tibet zum Ausdruck zu bringen. "Das ist ein sehr unglückliches Ereignis, besonders für mich als neuer Botschafter", sagte Wu anschließend vor österreichischen Journalisten.

Die Außenministerin betonte unterdessen in einer Aussendung, dass der Vorfall anlässlich der Tibet-Demonstration "eine klare Verletzung der österreichischen Gesetze darstelle. "Der Versuch, gewaltsam in das Botschaftsgelände einzudringen, hat nichts mit dem friedlichen Demonstrations- und Versammlungsrecht zu tun und ist klar zurückzuweisen", betonte sie. "Dieses Verhalten nützt einem an sich berechtigten Anliegen sicher nicht." Dieser "bedauerliche Vorfall" werde geprüft. In Zusammenarbeit mit dem Innenministerium würden geeignete Schritte gesetzt, um den Schutz der Botschaft sicherzustellen.

"Positive Information"

Er habe den Eindruck, dass die österreichischen Behörden nun Maßnahmen ergreifen werden, um die Sicherheit zu gewährleisten, sagte auch der chinesische Botschafter gegenüber Journalisten. "Das ist eine positive Information." Aus Botschaftskreisen verlautete ferner, dass mit 20 Demonstranten gerechnet worden sei, es seien aber etwa einhundert zur Botschaft gekommen. Nur fünf bis sechs Polizisten seien zur Stelle gewesen. Laut Botschaftsvertretern kletterte ein Exil-Tibeter an der Fassade in den ersten Stock auf einen Balkon und riss dort die chinesische Flagge herunter. Der Mann sei von Botschaftspersonal festgenommen und der österreichischen Polizei übergeben worden. Die Eingangstür sei von Demonstranten beschädigt worden.

Botschafter Wu meinte, er hätte nicht erwartet, dass so etwas in Österreich passieren könnte. In Brüssel und Paris sei es seit den Unruhen in Tibet schon zu Zwischenfällen gekommen. Es sei aber der erste Vorfall dieser Art, seit Österreich und die Volksrepublik China diplomatische Beziehungen unterhalten. Er habe gegenüber Außenministerin Plassnik seine "große Unzufriedenheit" zum Ausdruck gebracht.

Zu dem Protest gegen die gewaltsame Niederschlagung tibetischer Demonstrationen in der Autonomen Provinz Tibet und in chinesischen Provinzen mit tibetischer Bevölkerung am Donnerstagvormittag hatten die Grünen aufgerufen. An dem Protest vor der Botschaft nahmen die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Birgid Weinzinger, die außenpolitische Sprecherin Ulrike Lunacek und die Klubobfrau im niederösterreichischen Landtag, Madeleine Petrovic, teil.

Exil-Tibeter, die an der Kundgebung teilnahmen, stellten den Vorfall folgendermaßen dar: Einem tibetischen Demonstranten sei es gelungen, in das Gelände der Botschaft einzudringen und die chinesische Flagge auf den Boden zu werfen. Der Mann habe daraufhin die tibetische Flagge hoch gehalten und "Free Tibet" gerufen. Kurz darauf sei er von den chinesischen Botschaftsangestellten festgehalten, ins Botschaftsgebäude gezerrt, "dort gefesselt und geschlagen" worden. Wie verlautete, wurde der Mann 30 Minuten im Botschaftsgebäude festgehalten, bevor er den österreichischen Behörden übergeben wurde. (APA)