Dass der weltweite Erfolg von Amy Winehouse und ihrem Album "Back To Black" mit dem Abstand von gut einem Jahr diverse Konkurrenz- und Nachfolgemodelle generieren würde, war abzusehen, zumal gerade im britischen Pop der weibliche, Richtung Sixties und ein wenig jazzy-jazzy, funky-funky Smooth-Dance-Pop gedeutete, längst zeitlose Retro-Sound mit jungen Tragödinnen am Mikrofon immer Saison hat. Neben dem hochgehypten, allerdings schwer enttäuschenden Debüt 19 der 19-jährigen Adele scheint jetzt mit dem ersten Album der 23-jährigen walisischen Soul-Diseuse Duffy allerdings tatsächlich eine der Winehouse zumindest musikalisch ebenbürtige Konkurrenz erwachsen zu sein.
Gemeinsam mit Produzent Bernard Butler, dem ehemaligen Gitarristen der waidwunden David-Bowie-Fans Suede, der zuletzt mit dem jetzt auch als Backgroundsänger bei Duffy tätigen britischen Soulmann David McAlmont als Duo McAlmont & Butler dem Soul neues Leben einhauchte, sind zehn anrührende Songs entstanden, die sich hinter jenen der Winehouse vor allem musikalisch nicht zu verstecken brauchen. Zwar wird hier textlich eher im Seichten gefischt, obwohl es natürlich auch bei Duffy um die großen, kleinen Tragödien eines "heavy heart" geht. Allerdings schreckt Duffy in ihren dreiminütigen Miniopern dann doch vor jenen schmerzensreichen Exorzismen zurück, die die Stücke von Back To Black großteils auszeichneten. Dem Erfolg dieser Arbeit tut dies keinen Abbruch. Bevor das Album Rockferry nun in Kontinentaleuropa veröffentlicht wird, stürmte es gemeinsam mit der ersten Single Mercy die britischen Charts von null auf eins.
Produktionstechnisch setzt Butler dabei neben der schneidenden White-Soul-Gesangsstimme von Duffy auf edle, ausladende Arrangements eines großen Ensembles. Er lässt allerdings nicht so wie Winehouse-Produzent Mark Ronson die Stücke ordentlich rasseln und klappern und elektronisch auffrisiert auf die Eins klatschen. Butler, der seinen Phil Spector und die großen Produktionen des Motown-Labels in den 60er-Jahren beflissen studiert und sich souverän einverleibt hat, setzt lieber auf getragenen, raumgreifenden Analog-Sound, in dem vor allem dem Streicherensemble eine Schlüsselrolle zukommt. Lieder wie der Titelsong Warwick Avenue und Delayed Devotion oder das schaurig-schöne, mit Tamburin und jeder Menge nostalgischer Halleffekte behübschte I'm Scared ("I'm scared to face another day ...") mögen nur an der Oberfläche von Bitterkeit und Enttäuschungen in einem jungen Leben kratzen. Sie bleiben allerdings auch für eine breite, eilige Hörer- und Laufkundschaft verträglicher und berechenbarer als die grundsätzlich dunklen, düsteren Weltdeutungen einer Amy Winehouse.
Natürlich arbeiten auch Butler und Duffy recht ungeniert mit historischen Vorgaben. Im abschließenden Lied Distant Dreamer werden schamlos The Shangri-Las bemüht - und auch die Ronettes, Dusty Springfield oder Doris Duke erfahren eine zeitgemäße Neuinterpretation. Das mag allerdings nicht nur an den aktuellen Vorgaben von Winehouse und ihrem Team liegen. Wie gerade auch die US-Country-Sängerin Shelby Lynne mit ihrer aktuellen Dusty-Springfield-Hommage Just A Little Lovin' zeigt, dürfte die Sehnsucht der Musikindustrie nach besseren Zeiten derzeit eben auch bewirken, dass verstärkt auf Nostalgie gesetzt wird.