Kanzler Alfred Gusenbauer musste seine Ferien in Marbella unter anderem deshalb beenden, um Krisenfeuerwehr für die Regierung zu spielen. der Standard skizziert mögliche Szenarien, wie Rot-Schwarz weitermachen könnte - oder eben nicht.

Szenario 1: Neuwahlen vor dem Sommer

Wenn schon wählen, dann besser gleich als erst im Herbst: Letztlich setzt sich innerhalb der ÖVP diese Denkschule durch. Erstens weil der Konkurrent SPÖ wegen des Debakels bei den Niederösterreich-Wahlen und den internen Angriffen auf Parteichef Alfred Gusenbauer angeschlagen ist. Zweitens weil die ÖVP in Umfragen tendenziell knapp aber vor den Sozialdemokraten liegt. Drittens weil der lästige Untersuchungsausschuss, der sich überwiegend mit mutmaßlichen Verfehlungen in schwarzen Ministerien beschäftigt, dann nur wenig Zeit hat, unangenehme Details zutage zu fördern.

Die Zeit rennt der ÖVP zwar davon: Wegen der Fristen, um einen Neuwahlantrag einzubringen (für den die Schwarzen erst eine Mehrheit aufstellen müssen), geht sich ein Termin frühestens im Juni aus. Da kollidiert der Wahlkampf mit der Fußball-EM. Allerdings: Eine Spielernatur wie Wolfgang Schüssel, dessen Wort in der ÖVP immer noch viel Gewicht hat, reizen gerade solche Unabwägbarkeiten.

Wahrscheinlichkeit: Schrumpft täglich

Szenario 2: Koalitions-Crash im Herbst

Beide Regierungsparteien haben sich eingebunkert. SPÖ-Chef Gusenbauer kann sein zentrales Versprechen - Steuerreform bereits 2009 - nicht mehr einfach über den Haufen werfen, weil Rebellen in der eigenen Partei den Aufstand proben würden. Und nach zwei weiteren Jahre als "Umfaller"-Kanzler, so fürchtet man in der SPÖ, wäre er wohl auch bei den Wählern unten durch. Also Flucht nach vorne: Im Wahlkampf habe Gusenbauer schließlich schon einmal das Unmögliche möglich gemacht.

Konkurrent Molterer kann von seinem Nein zu einer vorgezogenen Steuerreform ebenso wenig runtersteigen. Im Gegensatz zum Frühjahr, hat er im Herbst aber einen aktuellen Grund um die Koalition platzen zu lassen: Bei den Verhandlungen für das Doppelbudget 2009/2010 werfen einander SPÖ und ÖVP vor, mit dem anderen sei kein Staat zu machen.

Die Entscheidung müssen schließlich die Wähler treffen. Je nachdem, wie lange sich das Drama hinzieht, im Herbst 2008 oder in den ersten Monaten des Jahres 2009.

Wahrscheinlichkeit: Hoch

Szenario 3: Durchhalten bis 2010

Auch nach dem Sommer können einander Rote und Schwarze nicht besser leiden als zuvor. Ein Blick auf Umfragen überzeugt beide Parteien aber davon, dass sie beim Volk noch viel unbeliebter sind. Um bei Neuwahlen keinen Absturz mit gleichzeitigen Zuwächsen der FPÖ zu riskieren, raufen sich SPÖ und ÖVP wohl oder übel zusammen. Zumal die Prognosen weder einen klaren Sieger, noch realistische Alternativen (Rot-Grün, Schwarz-Blau, Schwarz-Grün) verheißen.

Nach der x-ten Aussprache einigen sich die Koalitionäre auf einen Kompromiss zwischen dem Gusenbauer-Hunderter und Molterer-Fünfziger zur Abgeltung der hohen Inflation. Weil das Wirtschaftswachstum nicht so stark einbricht wie befürchtet, fällt der SPÖ auch leichter zu akzeptieren, dass die auf 2009 vorgezogenen Entlastungen bescheidener ausfallen als gefordert. Und inhaltlich sind SPÖ und ÖVP bei der Steuerreform gar nicht so weit auseinander, wie die gehässigen Streitereien glauben lassen. Gewählt wird letztlich wie geplant im Herbst 2010.

Wahrscheinlichkeit: Gering

Szenario 4: Minderheitsregierung

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer will sich seinen Lebenstraum nicht so schnell zerstören lassen und nimmt wieder einmal Anleihe bei seinem großen Vorbild: Wie Bruno Kreisky anno 1970 wagt der Kanzler eine Minderheitsregierung, die nicht auf einer fixen Mehrheit im Parlament fußt - und findet im bisher so vorsichtigen Bundespräsidenten Heinz Fischer wider erwarten einen kongenialen Gehilfen. Als die ÖVP mit ihrem Neuwahlantrag im Parlament abgeblitzt ist, schlägt der Regierungschef die Enthebung der schwarzen Minister vor. Fischer willigt ein und gelobt in der Folge das Kabinett Gusenbauer II an.

Nach Verhandlungen mit FPÖ, BZÖ und Grünen landet der eine oder andere oppositionsnahe "Experte" im Team, womit sich Gusenbauer Rückhalt im Parlament sichert. Auch bei der Konzeption der Steuerreform dürfen die Kleinparteien mit Wunschzettel anrücken. Die rote Minderheitsregierung bringt ihr Kernprojekt durch und übersteht noch ein paar weitere Monate, ehe sie die Bürger zu den Urnen ruft.

Wahrscheinlichkeit: Gleich null

(DER STANDARD, Printausgabe, 20.3.2008)