Autor und Verleger Arm in Arm, gemäß Rowohlts Devise: "Sei wie der Autor selbst überzeugt von der Möglichkeit eines Erfolges" – Walter Hasenclever und Ernst Rowohlt im Jahr 1911.

Foto: Deutsches Literaturarchiv (Marbach)
Grafik: Rowohlt
Grafik: Rowohlt

Sie erzählt eine ungewöhnliche deutsche Erfolgsgeschichte zwischen Leidenschaft und Rechenschieber.

Reinbek bei Hamburg – Wenn ein großer, über all die Jahre immer wieder mit guten Büchern aufwartender Verlag 100 Jahre alt wird, dann sollte das Grund genug für eine rauschende Feier sein. Eine solche ist im Hause Rowohlt freilich nicht geplant, und das nicht so sehr aus Sparsamkeit als mangels eines geeigneten Termins. Niemand weiß genau, wann im Jahre 1908 Ernst Rowohlt seinen Verlag gegründet hat.

Der damals 21-Jährige handelte nicht vernünftig, sondern – wie es sich für einen jungen Verleger geziemt – aus reiner Leidenschaft. Die ersten Bücher, darunter Paul Scheerbarts "Katzenpoesie", wurden einfach ausgeliefert, geschäftliche Aufzeichnungen gab es zunächst keine. Ein Glück, dass Rowohlts Vater Börsenmakler war und öfters Geld zuschoss. Schon während seiner lustlos absolvierten Banklehre hatte der Filius Bücherschulden von 4000 Mark angehäuft.

Ernst Rowohlt war als Verleger nicht nur ein Überzeugungstäter. Er war, wie die Jubiläumschronik "100 Jahre Rowohlt" anschaulich vermittelt, vor allem auch ein Überzeugungskünstler, der selbst in wirtschaftlich stark angespannten Zeiten immer wieder Geldgeber fand. Insgesamt dreimal hat er seinen Verlag gegründet: nach 1908 noch 1919 und 1946, nachdem die Wirren der beiden Weltkriege ein Weiterarbeiten unmöglich gemacht hatten.

Im Gegensatz zu Suhrkamp oder Kiepenheuer & Witsch ist es schon lange unmöglich, den Rowohlt Verlag in ein paar griffige Worte zu fassen. Zu breit war das Programm von der Frühzeit an. Bereits in den 20ern wurden neben den Expressionisten auch Ratgeber (darunter ein Diätbuch mit dem Titel "Hallo! Dein Gewicht!") sowie zeitgenössische und historische Schinken veröffentlicht.

Für das Renommee sorgten Autoren wie Robert Musil, Arno Schmidt oder Peter Rühmkorf. Deren Verkaufszahlen blieben allerdings lange hinter den ohnehin vorsichtig kalkulierten Startauflagen zurück. Musil wurde vom Verleger mit einer Art Leibrente versorgt, den bitter armen Schmidt musste er mehrfach aus Notsituationen retten. Geld verdiente Rowohlt mit einigen wenigen Spitzentiteln, mit heute großteils vergessenen Bücher wie Emil Ludwigs "Napoleon", der den Verlag durch die 20er-Jahre brachte.

Rotations-Romane

Der 1960 verstorbene Gründer galt als herzlicher Polterer, verfügte jedoch auch über Fingerspitzengefühl. Für den Umgang mit Autoren gab er angehenden Verlegern den Ratschlag mit: "Sei von vornherein ebenso wie der Autor selbst überzeugt von der Möglichkeit eines Erfolges seines Buches, denn du musst dir sagen, dass du ihn von dem Misserfolg, bevor er da ist, nicht überzeugen kannst."

Von der Gegenseite aus betrachtet, stellt sich die Situation naturgemäß anders dar. Ernest Hemingway, der Rowohlt über Jahrzehnte freundschaftlich verbunden war, mahnte seinen deutschen Verleger in einem Brief 1930: "Wenn ich so feine Bücher schreibe, warum versuchst du dann nicht, ein paar davon zu verkaufen?"

Hemingways Romane sollten sich für Rowohlt erst ab den 50er-Jahren rechnen. Da erschienen sie in der neu gegründeten Reihe rororo. Die Idee zu einem Taschenbuchverlag hatte Rowohlts Sohn Heinrich Maria Ledig-Rowohlt aus den USA importiert. Die Neugier und Leselust vieler Menschen nach dem Krieg bei gleichzeitiger Geldknappheit sorgten für einen Run auf die preiswerten Bücher.

Ledig-Rowohlt war als Nachfolger seines Vaters auch darum bemüht, für Profil zu sorgen. In den frühen 70ern startete er mit Texten von Rolf Dieter Brinkmann und Elfriede Jelinek die progressive Reihe "das neue buch". Gleichzeitig führte er den mit den Nobelpreisträgern Hemingway, Sinclair Lewis und William Faulkner gestarteten US-Schwerpunkt fort. Ein Faible für die Amerikaner hat Rowohlt bis heute: In späteren Jahren nutzte Michael Naumann als Verlagsleiter seine Kontakte in die USA und holte Thomas Pynchon, Paul Auster, Jonathan Franzen oder Denis Johnson.

Kehlmann und Pynchon

Heute ist das Haus mit der wohlbekannten Ortsangabe Reinbek bei Hamburg ein ganz normaler Großverlag mit besseren und schlechteren Zeiten. Geschäftlich gehört Rowohlt schon seit 1982 der Verlagsgruppe Holtzbrinck an. Harry Rowohlt wäre der nächste in der Familienlinie gewesen, hatte aber früh zu erkennen gegeben, dass er zwar eine maßlose Leidenschaft für Literatur hegte, jedoch nicht in die Fußstapfen des Vaters und des großen Bruders treten würde.

Als verlegerischer Geschäftsführer wirkt seit 2002 Alexander Fest. Er holte Martin Walser zu Rowohlt, und unter seiner Leitung gelang mit Daniel Kehlmanns "Die Vermessung der Welt" auch wieder einer jener Bestseller, die durch nichts prognostizierbar sind. Wann der Spitzentitel des Frühjahrs auf den Markt kommen wird, steht dagegen genau fest: Thomas Pynchons Mammutwerk "Gegen den Tag" erscheint in der ersten Maiwoche in der Übersetzung von Nikolaus Stingl und Dirk van Gunsteren. (Sebastian Fasthuber / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.3.2008)