Wien/Berlin – Die Entscheidung der deutschen Verfassungsrichter, die Bürger vor beliebigem Behördenzugriff auf ihre Telekommunikationsdaten zu schützen, gibt dem in diesen Fragen besonders sensiblen Grünen-Abgeordneten Peter Pilz Hoffnung: „Die Verfassungslage ist bei uns ähnlich – und die deutsche Klarstellung, dass man nur bei Verdacht auf sehr schwere Verbrechen auf die Daten zugreifen darf, wäre auch für Österreich richtungsweisend.“

Hierzulande gebe es zwei Denkschulen, die Pilz an Exponenten der Koalition festmacht: Innenminister Günther Platter wolle für die Polizei möglichst weit gefasste Rechte, also eine möglichst lange Datenspeicherung, auf die möglichst einfach zugegriffen werden kann – „während der für Telekommunikation zuständige Verkehrsminister Werner Faymann auf der Bremse steht“.

Daher wäre die Regierung auch nicht in der Lage, zu einer gemeinsamen Linie zu finden – „und Platter weigert sich, die EU-Richtlinie zur Data-Retention umzusetzen.“

Pilz sieht darin allerdings auch eine Chance für sein Anliegen, eine liberalere Datenschutzpolitik umzusetzen. Gerade aus dem jetzigen Stillstand in der Koalition könnte sich die Möglichkeit einer freien Mehrheitsbildung im Parlament ergeben – und dann wäre es denkbar, den umstrittenen Paragrafen 53 des Sicherheitspolizeigesetzes (er regelt die Datenüberwachung durch die Polizei) zu streichen, die Einführung von Bundestrojanern (Spähprogrammen im Dienste der Polizei) zu stoppen und eine möglichst schonende Umsetzung der EU-Richtlinie gegen die ÖVP und ihren Innenminister Platter zu beschließen.

Eilverfahren in Karlsruhe

In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht die Datenspeicherung gerade eingeschränkt. Am Mittwoch entschieden die Höchstrichter in einem Eilverfahren, dass der Staat auf Telefonverbindungen vorerst nur beim Verdacht auf schwere Straftaten zugreifen darf. Das bedeutet: Wie von der Regierung vorgesehen, dürfen die deutschen Telefongesellschaften zwar weiterhin die Handy-, Festnetz- und Internetdaten ihrer Kunden ein halbes Jahr lang speichern. Dies sei kein Eingriff in die Freiheit der Bürger, sagt das Gericht.

Nicht zulässig ist hingegen, dass diese Daten ohne Verdacht auf schwere Straftaten wie Mord, Totschlag oder Geiselnahme abgerufen werden können. Denn in diesem Fall drohen gemäß den Höchstrichtern in Karlsruhe „Nachteile von ganz erheblichem Gewicht“, da mit Hilfe der gesammelten Daten weit reichende Kenntnisse über das Kommunikationsverhalten der Bürgerinnen und Bürger möglich wäre.

Regierung muss berichten

Dies ist jedoch noch nicht das letztgültige Urteil, es hat vorerst nur aufschiebende Wirkung. In den kommenden sechs Monaten muss die Regierung zunächst einen Bericht über die Auswirkungen der Datensammlung vorlegen. Dann erst kommt es zur Hauptverhandlung. Das Besondere an der Klage: Sie war von mehr als 30.000 Menschen eingebracht worden – koordiniert vom „Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung“, der auf den Artikel 10 des Grundgesetzes verweist. „Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich“, heißt es dort. (von Conrad Seidl und Birgit Baumann /DER STANDARD, Printausgabe, 20.3.2008)