Etwa zwei Drittel der Befragten halten es für gerecht und notwendig, dass Besserverdienende durch höhere Steuern jener mitversorgen, die wenig bis nichts verdienen.

Foto: DER STANDARD/Regine Hendrich
Wien - Rund zwei Drittel der Österreicher ist der Ausgleich sozialer Unterschiede wichtig: 37 Prozent stimmten vorbehaltlos zu, dass Menschen mit höherem Einkommen durch höhere Steuern zum Gemeinwohl beitragen sollten; 36 Prozent der Befragten plädieren dafür, dass soziale Unterschiede weitgehend abgeschwächt werden sollen. Zu diesen Ergebnissen kam eine Studie der Sozialwissenschafterin Hilde Weiss vom Institut für Soziologie der Universität Wien.

Weiss und ihr Team haben in dem Projekt "Konfliktwahrnehmung und Gerechtigkeitsvorstellungen in sozialen Milieus" untersucht, welche Gerechtigkeitsvorstellungen und Werthaltungen in unterschiedlichen soziale Gruppen in Österreich bestehen. Befragt wurden 1.018 Österreicher zwischen 18 und 65 Jahren.

Von den Befragten standen laut der Forscherin etwa ein Viertel schon einmal oder mehrmals in prekären und damit unsicheren Beschäftigungsverhältnissen. "Für Österreich gilt: Die obersten Einkommens- und Bildungsschichten wissen ihre Interessen wahrzunehmen", erklärte Weiss. Um die Interessen vieler anderer sei es nicht so gut bestellt: Während der Wohlstand insgesamt steige, würden immer mehr Menschen immer ärmer.

Biografischen Erfahrungen wichtig

Die Einstellung zu Fragen der sozialen Gerechtigkeit hängt weniger vom beruflichen Status als vielmehr von biografischen Erfahrungen wie Krisen oder Erfolgen ab: Soziale Aufsteiger, die es von ganz unten ins soziale Mittelfeld oder darüber hinaus geschafft haben, zahlen ungern Steuern und halten wenig von Sozialleistungen: "Diese Menschen haben hart gekämpft und glauben, dass das, was ihnen gelungen ist, allen möglich sei", so Weiss.

Soziale Absteiger hingegen denken tendenziell sozialer: "Sie haben oftmals erlebt, dass das Individuum nicht immer alle lebensbestimmenden Faktoren im Griff hat und dass Chancen ungleich verteilt sind."

Wenn es um die Politik geht, haben gerade die "unteren" sozialen Schichten das Gefühl, keinen Einfluss auf ihr Schicksal nehmen zu können. "Die oberen Einkommensschichten hingegen fühlen sich politisch gut vertreten und wissen, wen es zur Stärkung der eigenen Interessen zu wählen gilt", so Weiss. Generell hält man in Österreich wenig von Politikern: 37 Prozent der Befragten glauben, dass moralische Grundsätze in der Politik nichts mehr gelten.

Konservatives Familienbild schwindet

Während also die quasi traditionelle Autoritätshörigkeit bestehenbleibt, entfernten sich laut Analyse zumindest die mittleren und oberen Schichten der Gesellschaft von einem konservativen Familienbild mit den entsprechenden Geschlechterrollen. In den unteren Schichten allerdings gibt man sich diesbezüglich konservativ. "Dieser Konservatismus ist Teil einer pessimistischen, rückwärtsgewandten Lebensauffassung", so Weiss, "er ist eng mit Zukunftsängsten verbunden." (APA/red)