Ansichtssache: Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Wolfgang Flöttl bestätigte im Bawag-Prozess erstmals, dass er mit der vorzeitigen Rückführung der ersten Karibikgeschäfte Verluste gemacht hat. Der Grund für die Wiederaufnahme 1995 sei das aber nicht gewesen.

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Wien - In 80 Tagen konnte man früher rekordgewinnend um die Welt reisen, am 81. Tag des Bawag-Prozesses schloss sich ein ganz zentraler Kreis rund um die bunte Welt der Ex-Gewerkschaftsbank. In den langwierigen Antwortrunden des Gutachters Fritz Kleiner war man wieder bei den ersten Karibikgeschäften angelangt, die Banker Walter Flöttl mit seinem Sohn Wolfgang eingefädelt hatte. Flöttl sen., der am 5. März bereits im Ermittlungsverfahren zu ÖGB-, Konsum- und SPÖ-Finanzierung ausgesagt hat, steht im laufenden Prozess übrigens nicht als Zeuge zur Verfügung. Als Vater des angeklagten Investors beruft er sich auf sein Recht, sich der Aussage zu entschlagen.

Wie der Standard bereits berichtet hat, stand die Entstehung der Karibikgeschäfte in unmittelbarem Zusammenhang mit notleidenden Forderungen, die die Bank 1990 vor allem an Russland und Bulgarien hatte und an Wolfgang Flöttl verkaufte. Der nahm dabei einen riesigen Verlust auf seine Kappe, bekam aber "rund 300 bis 400 Mio. Dollar für sieben Jahre, damit ich den Verlust zurückverdienen kann.", wie er nun erstmals vor Gericht bestätigte. Zur Erklärung: Diese Summen entsprachen 1991 rund 3,5 bis 4,7 Milliarden Schilling.

Richterin Claudia Bandion-Ortner an Flöttl: "Waren die rund 400 Mio. Dollar das Spielkapital, das Gegengeschäft dafür, dass Sie so einen guten Preis für die Russland-Forderungen gemacht haben?" Flöttl: "Ja, Sie haben vollkommen recht. Die Idee dafür kam aber von der Bawag."

Aufhol-Deals

Kurz die Fakten, die sich aus den Bawag-Aufsichtrats- und Kreditausschussprotokollen ergeben: Ende 1990 hatte die Bank allein an Russland und Bulgarien Forderungen von "4,1 bis 4,3 Mrd. Schilling". 1991 waren in Russland noch 2,5 und in Bulgarien 1,8 Mrd. offen, statt diese Forderungen wertzuberichtigen, fand man "aber eine andere Lösung": Sie wurden an Flöttl (sein Name wurde in den Gremien nie erwähnt) verkauft. Laut Protokoll von November 1991 zahlte "der US-Partner" für die Russland-Forderungen das Doppelte ihres Werts, für Bulgarien fast das Dreifache. Flöttl senior berichtete damals so: "Am 26. Juli 1991 sind bei uns 1,134 Mrd. Schilling eingelangt ... Demgegenüber werden wir Geschäfte machen, die das 3,6-fache des angekauften Volumens ausmachen, da ja unsere Partner den Verlust ... wieder aufholen müssen."

Warum er damals darauf verzichtet habe, seinen Schaden geltend zu machen? Aus familiären und Diskretionsgründen, "denn, ich hätte die Bawag klagen und meinen alten Vater vor Gericht zerren, Krieg mit ihm führen müssen. Und ich hätte damit das Russland-Problem der Bawag aufgezeigt", erklärte Flöttl. Nachsatz: "Ich hätte gar nichts machen dürfen."

Stattdessen schloss er "komischerweise" (Bandion-Ortner) die nächsten Deals mit der Bawag, die Ende 1993 als "Vater-Sohn-Geschäfte" aufflogen. 1994 musste Flöttl das Bawag-Geld - 23 Milliarden Schilling - binnen drei Wochen zurückführen. Während die Banker nicht müde werden zu betonen, die Geschäfte mit einem Höchststand von sage und schreibe 32 Mrd. Schilling hätten der Bawag Gewinn gebracht (die Notenbank führte dazu 1994 nur eine Plausibilitätsrechnung auf Basis von Bawag-Unterlagen durch; Anm.) endeten sie für Flöttl jun. - mit einem Verlust. "Das ist richtig", bejahte der Angeklagte die entsprechende Frage.

"Waren Sie verärgert, als Sie das Geld, mit dem Sie Ihren Verlust wettmachen sollten, frühzeitig zurückführen mussten?" fragte die Richterin Flöttl. "Ja, das kann man so sehen", antwortete der.

Wie hoch sein Verlust war (immerhin stoppte Flöttl Termingeschäfte zum Teil um fünf Jahre zu früh), das wollte er nicht verraten. Vom Gutachter coram publico errechnete 810 Mio. Schilling konnte Flöttl zuerst nachvollziehen; nach der Verhandlung distanzierte er sich davon.

Ganz "neue" Deals

Ganz wurde die Kette aber auch am Dienstag nicht geschlossen. Das logische Verbindungsglied zur Wiederaufnahme der Karibikgeschäfte im Juli 1995 unter Helmut Elsner fehlt. "War die Tatsache, dass Ihnen die Bawag etwas schuldete, Grund für die Wiederaufnahme 1995?" wollte die Richterin wissen. "Das kann man nicht so sehen. Das war keine Fortsetzung der alten Geschäfte, das waren neue", wehrte sich Flöttl, die Bawag habe auch höhere Zinsen bekommen als zuvor (bei der ersten Tranche der Karibik-Geschäfte war es Libor plus 0,75 Prozent; Anm.).

Flankiert wurde er dabei ausnahmsweise von Elsner, der sich zwar nicht einmal an die Russland-Probleme erinnert - aber dafür an die "Wiederaufnahme", die er seit jeher mit den dahinschmelzenden Erträgen begründet. Unisono mit Flöttl jun. betonte er, dass "Flöttl 1995 die Geschäfte gar nicht mehr machen wollte". Mit welchem Ergebnis er sich umstimmen ließ, ist bekannt.

Thema am Dienstag war übrigens auch der vom STANDARD berichtete Plan Walter Flöttls, 1993 Bawag-Aktien über Optionen an seinen Sohn zu verkaufen. Der bestätigte "diese Idee meines Vaters, die den brustschwachen Aktionären ÖGB und Konsum zu Geld verholfen hätte". Er aber habe abgelehnt: "Das wäre für mich totes Geld gewesen - und kein Geschäft." (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.03.2008)