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Bärenstimmung auf den Aktienmärkten: Nach dem Notverkauf von Bear Stearns sprechen Experten bereits von der schlimmsten Krise seit den 30er-Jahren.

Fotos: AP; Montage: Beigelbeck
Der Notverkauf der fünftgrößten US-Investmentbank Bear Stearns an den Konkurrenten JP Morgan Chase ließ am Montag die Aktienkurse einbrechen, die Sorge, die Finanzkrise gerate zunehmend außer Kontrolle, steigt.

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New York/Frankfurt/Wien - Man nannte ihn "Sphinx", "Orakel", "lebendes Rätsel", als er noch Präsident der US-Notenbank Federal Reserve war und jedes Wort von ihm genau analysiert wurde, um auf künftige Zinsentwicklungen schließen zu können. Jetzt, im Ruhestand, spricht er plötzlich Klartext: Die aktuelle Finanzkrise werde "wahrscheinlich im Nachhinein als schlimmste seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bewertet werden", schrieb Alan Greenspan in der Financial Times am Montag.

Zwischen Drucklegung und Erscheinen dieses Textes überholten ihn die Ereignisse: In der Nacht auf Montag gab die US-Investmentbank JP Morgan Chase bekannt, dass sie den in den Seilen hängenden Konkurrenten Bear Stearns übernehmen werde. Ein "fire sale", Notverkauf, wie das Wall Street Journal, formuliert, denn mit den zwei Dollar pro Aktie wird die fünftgrößte Investmentbank der Wall Street von JP Morgan mit 236 Millionen Dollar bewertet. Gemessen am Börsenkurs der Vorwoche hätte Bear Stearns noch einen Wert von 3,5 Milliarden Dollar gehabt. Anfang 2007 waren es sogar 20 Milliarden Dollar.

JP Morgan hatte schon lange ein Auge auf den kleineren Konkurrenten geworfen, seitens des Käufers wird der Preis nun als angemessen bezeichnet, weil nicht klar sei, wie viele Leichen Bear Stearns noch im Keller hat. Der Zusammenbruch zweier Bear-Stearns-Hedgefonds, die mit schlecht besicherten Häuserkreditpapieren gedealt hatten ("Subprimes"), hatte die aktuelle Krise vor dem Sommer 2007 eigentlich ausgelöst, seit damals ist das Vertrauen der Banken zueinander am Schwinden, was die Kreditvergabe erschwerte.

Die US-Notenbank unterstützt den Deal, indem sie für weniger leicht zu Geld machendes Bear-Stearns-Vermögen wie etwa Hypothekenpapiere 30 Milliarden Dollar als Vorschuss einbringt (wenn diese Papiere weiter an Wert verlieren, trägt nicht JP Morgan sondern die Fed den Verlust).

Nur wenige Minuten nach Bekanntgabe der Bear-Stearns-Rettungsaktion folgte die nächste Überraschung. Die Fed senkte den Diskontzinssatz - der Zins, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Notenbank direkt mit kurzfristigen Krediten versorgen können - von 3,5 auf 3,25 Prozent, um den Liquiditätsengpass zu überwinden, der auch bei Bear Stearns letztlich fast den Zusammenbruch (die Rede war von Chapter 11, Gläubigerschutz nach US-Insolvenzrecht) bedeutet hatte. Außerdem wurde für die Dauer von mindestens sechs Monaten eine zusätzliche Kreditmöglichkeit für die großen Investmentbanken geschaffen. Auch die Bank of England pumpt massiv billigeres Geld für Banken in den Markt. Seitens der EZB wurde betont, dass die Inflation die Hauptsorge ist. Die Spekulationen über ein Eingreifen wurden wie üblich nicht kommentiert. Bei den Börsianern, so heißt es, verstärke sich der Eindruck, dass die Krise mehr und mehr außer Kontrolle gerate. Der Kurs der Bear-Stearns-Aktie brach zu Handelsbeginn um fast 90 Prozent ein und riss weitere Finanztitel mit. Die Werte des Käufers JP Morgan legten jedoch stark zu. Ein Absturz der Wall Street insgesamt konnte durch das rigide Einschreiten der Fed aber offensichtlich abgewendet werden.

Problematische Folgen hat die Krise für die 14.500 Bear-Stearns-Mitarbeiter: Ein Jobabbau ist zu befürchten, außerdem ist fast ein Drittel der Aktien im Besitz der Belegschaft. Vorsorgepläne werden aber nun zunichte gemacht. (szem, ag, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.03.2008)