Patrick Bongola aka Topoke: "Die PolitikerInnen erkannt, dass bei den Minderheiten ein Stimmenpotential liegt."

Foto: Tres Monos
Vor nun fast fünf Jahren ist Seibane Wague im Rahmen einer polizeilichen Amtshandlung ums Leben gekommen. Die Band Tres Monos widmete ihm ein Lied. derStandard.at sprach mit Tres Monos-Frontman Patrick Bongola darüber, was sich durch den Fall Seibane Wague geändert hat, und über die Forderung, dass Minderheiten ihr Schicksal auch selbst in die Hand nehmen: "Es ist schwierig, einen Zugang zur Gesellschaft zu bekommen, wenn wir uns selbst ausgrenzen", sagt er im Interview, stellt aber auch fest, die Politik "vermittelt das Gefühl, uns hier nicht haben zu wollen".

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derStandard.at: Im Juli jährt sich der Todestag von Seibane Wague zum fünften Mal. Glauben Sie, dass sich in der Politik seither etwas geändert hat, was den Umgang mit Minderheiten betrifft?

Bongola: Es sieht so aus, als ob ein Umdenkprozess stattfindet. Früher waren wir unsichtbar, heute haben die PolitikerInnen erkannt, dass bei den Minderheiten ein Stimmenpotential liegt. Wenn wir das geschickt nutzen, können wir eine große Kraft werden. Sogar die FPÖ hat das erkannt und möchte es sich mit den Serben gut stellen. Die Serben sind immerhin eine der größten Minderheiten in Österreich.

derStandard.at: Glauben Sie, dass Heinz-Christian Strache bei den Serben und Serbinnen in Österreich gut ankommt?

Bongola: Das ist zu durchsichtig, sie durchschauen dieses Spiel. Die FPÖ wird auf längere Sicht weiterhin ihre "Mir san mir"-Politik verfolgen und möchte nun einfach die antiislamische Stimmung, die bei vielen Serben auch durch die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo entstanden ist, nutzen. Bei einer serbischen Kundgebung am Heldenplatz wurde ein Brief von Strache vorgelesen. Viele Menschen haben damals applaudiert. Aber ich denke, das war im Rausch der Emotionen. Ich hoffe, sie werden sich nicht auf Strache einlassen. Wir sind und bleiben für die FPÖ am Ende des Tages alle Ausländer.

derStandard.at: Strache scheint sich besonders um die jungen MigrantInnen mit serbischen Wurzeln zu bemühen. Er hat etwa ankündigt, eine serbische Sängerin nach Wien zu holen. Wird er damit punkten können?

Bongola: Junge Leute lassen sich oft leichter manipulieren als Erwachsene, also kann es so sein, dass er damit beeindruckt. Andererseits: Junge Leute sind auch nicht dumm. Ich hoffe, dass sie den Abend mit der Sängerin genießen, aber das Spiel durchschauen werden.

derStandard.at: Junge MigrantInnen sind in Österreich beispielsweise im Berufsleben benachteiligt. Wird zu wenig für sie getan?

Bongola: Das ist die Konsequenz einer Politik, die die Probleme vor Jahren zwar ansatzweise erkannt hat, aber bisher viel zu wenig dagegen unternommen hat. Ich habe aber das Gefühl, dass die jetzige Politik versucht, positive Schritte zu setzen, etwa durch Sprachförderung im Kindergarten. Aber nur eine langfristige und ehrliche Politik kann einen Erfolg garantieren. Es ist meine Erfahrung, dass ihre Versprechen nicht viel wert sind. Deswegen ist es wichtig, dass Minderheiten auch selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen, zum Beispiel Kinder in Sprachkurse schicken, sich klar machen, wo sie leben und die Schwierigkeiten meistern. Es ist schwierig, einen Zugang zur Gesellschaft zu bekommen, wenn wir uns selbst ausgrenzen.

derStandard.at: Warum passiert diese Selbstausgrenzung?

Bongola: Ich beobachte, wie mit Minderheiten umgegangen wird und stelle fest, dass es viele Parallelen in der Wahrnehmung zwischen den einzelnen Communities gibt. Ressentiments werden geschührt, und man beginnt zu denken, dass Vorurteile die Oberhand in der Mehrheitsbevölkerung gewinnen. Die Politik unternimmt wenig bis nichts dagegen. Und so entsteht bei Minderheiten der Eindruck, dass sie nicht willkommen sind. Jeder Mensch sucht aber Menschen, die ihn akzeptieren. In der türkischen Community zum Beispiel finden TürkInnen Anschluss und können sich erfolgreich entfalten. Nur in der Community zu bleiben, ist aber schwierig, weil man sich dann außerhalb der Gesellschaft befindet. Wäre es aber nicht eine Bereicherung für alle, wenn man die Möglichkeit bekommt, sich innerhalb der Gesellschaft zu entfalten?

derStandard.at: Wie empfinden Sie die Geschichte von Arigona Zogaj?

Bongola:: Das ist ein ganz trauriges Kapitel in der Geschichte von Minderheiten. Sie hat gezeigt, dass man in diesem Land mit Minderheiten viele Spiele treiben kann. Man sagt, wenn sie lang genug hier leben, sich integrieren, sogar assimilieren, die Sprache lernen, einen Job finden, dann sind sie herzlich willkommen. Arigona hat man aus ihrem Versteck gelockt, mit dem Versprechen, es würde ihr nichts passieren. Nun darf sie ihre Schule fertig machen und wird mit ihrer Mutter in den Kosovo abgeschoben. So wie Arigona gibt es hunderte Fälle. Die Politik vermittelt das Gefühl, uns hier nicht haben zu wollen.

derStandard.at: Hat Sie der Ausgang der Geschichte gewundert?

Bongola: Nein, ich habe wie so viele andere, und ich sage bewusst Menschen, ob In- oder Ausländer, kein Vertrauen mehr in diese Politik. Seit geraumer Zeit bemühen sich die Leute von Ehe ohne Grenzen um das Aufenthaltsrecht für ihre Ehepartner. Auch sie wurden belogen. Bawag, Banken, Polizei, Fremdenwesen – überall gibt es Skandale. Die Politik muss wieder ehrlicher werden, die Menschen sind es müde, betrogen zu werden. Hier gibt es keinen Politiker mit Visionen, der Hoffnung gibt und für alle Menschen da ist. Um so einen Politiker zu hören, muss man ganz weit weg in die USA blicken und Barack Obama zuhören. (burg/derStandard.at, 18. März 2008)