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Die britische Polizei will weitreichendere Rechte: DNA-Proben von Schulkindern und Pendlern

Foto: APA/EPA/AFPI/ODD ANDERSEN
London/Wien - Statt des Abc könnten britische Volksschulkinder bald etwas über Genetik und deren praktische Anwendung lernen. Wenn sie nämlich der Polizei ihre DNA-Probe geben müssen, weil sie "auffälliges Verhalten" gezeigt haben. Und damit im Verdacht stehen, künftig kriminell zu werden. Über die Möglichkeiten der Prognosen und der besten Reaktion darauf will die Exekutive eine breite Diskussion lostreten - und stößt schon am Beginn auf heftigen Widerstand.

"Wenn wir eine Möglichkeit haben, Menschen zu identifizieren, bevor sie ein Verbrechen begehen, würde es auf lange Sicht vorteilhafter sein, schon junge Risikopersonen zu identifizieren", meint Gary Pugh von der Vereinigung leitender Polizeioffiziere am Sonntag im Observer. "Kriminologen sagen, manche Menschen wachsen aus dem Verbrechen heraus, andere nicht. Wir haben jene zu finden, die möglicherweise die größte Gefahr für die Gesellschaft sind."

Welche Merkmale das sein könnten, wird nicht verraten. Es gibt allerdings ein relativ deutlich belegtes Muster bei Kriminellen, argumentiert Scotland Yard. Es beginnt meist mit relativ belanglosen Übertretungen und eskaliert bis zu Schwerverbrechen. Dem Vernehmen nach sind Experten zuversichtlich, diese Verhaltensmuster identifizieren zu können. Trifft es dann auf einen Sechsjährigen zu, könnte man ihm die Genprobe abnehmen, so die Vision. Derzeit darf die Polizei die DNA nur von über-Zehnjährigen, die festgenommen worden sind, speichern.

Der Plan stößt bei Bürgerrechtlern und Lehrern auf brüske Ablehnung. Den meisten Pädagogen sei dieser Vorschlag ein Gräuel, sagte Chris Davis, der Vorsitzende der Vereinigung der Volksschullehrer, dem Observer. "Es könnte als Schritt Richtung Polizeistaat gesehen werden", warnt er. "Kinder in diesem Alter zu etikettieren und auf eine Liste zu setzen geht zu weit." Gleichzeitig gesteht Davis ein, dass die meisten seiner Kollegen Kinder identifizieren könnten, die "das Potenzial haben, ein schwierigeres Erwachsenenleben zu haben". Es sei aber der Job der Lehrer, diese zu unterstützen. In Österreich schon möglich Was in Großbritannien noch diskutiert wird, ist in Österreich theoretisch schon möglich. Denn im heimischen Sicherheitspolizeigesetz (SPG) findet sich bei den DNA-Untersuchungen kein Alterslimit. Hat man einen "gefährlichen Angriff" begangen und kann "in Hinblick auf die Persönlichkeit des Betroffenen" erwartet werden, dass er auch künftig kriminell aktiv ist, darf die Polizei die Probe nehmen und speichern. Bei Volksschulkindern wurde diese Möglichkeit aber noch nie angewandt. Bei der britischen Exekutive gibt es aber nicht nur Begehrlichkeiten nach Gendaten. Auch die personalisierten Chipkarten, deren sich 17 Millionen Pendler bedienen, um U-Bahn, Zug oder Bus zu benutzen, interessieren die Fahnder des Geheimdienstes MI5 und der Polizei. Sie wollen die Erlaubnis, diese Datenflut im Hintergrund nach auffälligen Bewegungsprofilen zu durchsuchen und mit anderen Daten zu vernetzen. Derzeit darf nur die Route bereits Verdächtiger abgefragt werden. Die Sicherheitskräfte erhoffen sich von einer breiten Rasterfahndung ins Blaue dagegen Hinweise auf mögliche Terrorzellen. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 17.3.2008)