Ungarns Rechtsradikale haben offensichtlich nicht mehr das Wohlwollen des Oppositionsführers Viktor Orbán. Nach einer Kundgebung zum Jahrestag der Revolution von 1848 lieferten sich am späten Samstagabend in Budapest hunderte Rechtsextremisten Straßenschlachten mit der Polizei. Zuvor hatte Orbán auf der Gedenkveranstaltung seines rechts-nationalen Bundes Junger Demokraten (Fidesz) jedoch die neue Losung ausgegeben: „Wir sitzen Provokationen nicht auf und bleiben bei der Politik der nationalen Einheit und des Zusammenhalts.“ Am Sonntag vor einer Woche hatte Fidesz bei der von ihm initiierten Volksabstimmung für die Abschaffung der neuen Gesundheits- und Studiengebühren deutlicher triumphiert als erwartet. Orbán will nun offenbar Mitte- und Linkswähler nicht wieder mit Gesten an die Rechtsradikalen abschrecken. Das Ergebnis des Referendums hat die regierenden Sozialisten von Premier Ferenc Gyurcsány geschockt. Parlamentspräsidentin Katalin Szili ging bei einem 1948er-Gedenken im ostungarischen Hajdúdorog zum offenen Angriff über. Für Reformen seien derzeit die Bedingungen – breite Unterstützung durch die Gesellschaft, Sachverstand und glaubwürdige Politiker – nicht gegeben. Die außerordentliche Parteikonferenz der Sozialisten am 29.März dürfte stürmisch werden. (Gregor Mayer aus Budapest/DER STANDARD, Printausgabe, 17.3.2008)