Dharamsala/London - Das tibetische Exil-Oberhaupt, der Dalai Lama, befürchtet noch mehr Blutvergießen in seiner von China besetzten Heimat. Dennoch erklärte der Friedensnobelpreisträger in einem Interview mit dem britischen Sender BBC seine Unterstützung für die Olympischen Spiele in Peking in diesem Sommer. Die Spiele seien immer noch eine Gelegenheit für Peking, Anerkennung für die Grundfreiheiten der Menschen zu demonstrieren, sagte der 14. Dalai Lama, Tenzin Gyatso, nach BBC-Angaben vom Sonntag in seinem Exilort Dharamsala in Nordindien.

Allerdings habe er "große Sorge", dass die blutigen Auseinandersetzungen in der tibetischen Hauptstadt Lhasa wieder aufflammen, sagte der Dalai Lama. Wenn die Regierung in Peking ihre Politik gegenüber Tibet nicht ändere, fürchte er, dass dort noch mehr Menschen umkommen. Er habe Berichte aus Tibet erhalten, wonach bei den Unruhen der letzten Tage bis zu hundert Demonstranten getötet wurden. Allerdings könne diese Zahl nicht überprüft werden. Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua sprach am Sonntag unverändert von zehn Toten.

Der 73-jährige Dalai Lama hat den chinesischen Machthabern wiederholt "eine Art kulturellen Völkermord" an seinen Landsleuten in Tibet vorgeworfen und dazu geraten, die bevorstehenden Olympischen Spiele in Peking zum Anlass zu nehmen, erneut auf das Problem aufmerksam zu machen. Chinas kommunistische "Volksbefreiungsarmee" war 1950 in Tibet einmarschiert. Im März 1959, nach der blutigen Niederschlagung einer Volkserhebung, waren der Dalai Lama und die tibetische Regierung mit mehr als 100.000 Landsleuten nach Indien geflohen. Der Dalai Lama hatte Peking schwere Menschenrechtsverstöße in seiner Heimat vorgeworfen, unter anderem Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen, sowie "kulturellen Völkermord" durch massiven Bevölkerungstransfer.

"Jüngster politischer Gefangener der Welt"

Der von China eingesetzte Pantschen Lama als zweithöchste religiöse Autorität Tibets hat die Unruhen unterdessen laut Xinhua als Verstoß gegen buddhistische Lehren verurteilt. Nach dem Tod des 10. Pantschen Lama 1989 hatte Peking 1995 den damals sechsjährigen Gedhun Choekyi Nyima nicht als Reinkarnation anerkannt und einen Gegen-Pantschen-Lama eingesetzt. Dem Abt des Großklosters Tashi Lhunpo, Chadrel Rinpoche, der die für die rituelle Suche der Wiedergeburt zuständige Mönchsgruppe geleitet hatte, wurde von den kommunistischen Behörden beschuldigt, mit dem exilierten Dalai Lama zu kollaborieren. Er wurde zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt und mit mehr als 40 Mönchen in die Provinz Sichuan deportiert.

Das UNO-Komitee für die Rechte des Kindes hatte von der Volksrepublik China vergeblich Zugang zu Nyima gefordert, den der Dalai Lama als "jüngsten politischen Gefangenen der Welt" bezeichnet hat. Peking erklärte, man habe den Knaben "unter den Schutz der Regierung gestellt", um ihn dem "Zugriff der Separatisten" zu entziehen. (APA/dpa/AFP)