Wien - "L'Autriche vivante" titelte die französische Zeitung "Ce Soir" am 6. April 1938 bezüglich einer Veranstaltung, bei der sich in Paris neben Heinrich Mann auch ein prominenter österreichischer Autor für seine von Hitler annektierte Heimat stark machte: Joseph Roth, Autor von "Radetzkymarsch" und "Die Legende vom Heiligen Trinker". Der Zeit Roths im Exil in Paris, wohin er 1933 vor den Nazis fliehen musste und wo er 1939 starb, widmet sich nun eine Ausstellung im Literaturhaus in Wien.

In Interviews, bisher kaum öffentlich gezeigten Dokumenten, Fotos, Karikaturen von Bil Spira und vor allem originalen französischen Zeitungsartikeln zeichnet die Ausstellung "Joseph Roth im Exil in Paris 1933/1939" bis 28. Mai ein aufschlussreiches Bild der letzten Lebensjahre Roths und seiner Umgebung in Paris. Und damit ein ungewöhnliches Bild vom Leben im Exil.

Unterstützer

Ein Problem vieler Exilanten hatte Roth nicht: Er verdiente in Paris, wo er bereits seit Ende der 1920er mehrheitlich gewohnt hatte, durch zahlreiche Publikationen auch in großen französischen Zeitungen immer wieder viel Geld, so Kurator Heinz Lunzer. Umgehen konnte er damit nicht: So steckte der aus armen Verhältnissen stammende, 1894 bei Lemberg geborene Autor anderen Exilanten Summen zu, von denen ganze Familien monatelang leben konnten, oder warf sein Geld mit beiden Händen gleichsam beim Fenster hinaus. Wie er dies tat, ist in der Ausstellung nachzulesen.

Roth, der nach guter Wiener Tradition in Paris viel Zeit im Cafe Le Tournon verbrachte, nahm in Paris neben seiner politischen und literarischen schriftstellerischen Arbeit noch eine andere Position wahr: "Er hat allen immer Mut gemacht, auch wenn er selbst noch so deprimiert war", schilderte Lunzer. "Wir brauchen lebende Helden", war Roths Credo. Für dieses Mutmachen hatte Roth gute Foren, er publizierte in großen Tageszeitungen ebenso wie in Exilverlagen.

Erst der sogenannte "Anschluss" Österreichs an Deutschland, dessen 70. Jahrestag soeben begangen wird, hat Roths Kraft gebrochen, so Lunzer. "Da ist ihm die Energie weggeblieben", sein Tod rund ein Jahr später bahnte sich an. Zuvor war der Antikommunist und Monarchist Roth noch unter falschem Namen knapp vor dem "Anschluss" nach Österreich zurückgekehrt, um sich für einen Kampf der "Kaiserlichen" gegen Hitler stark zu machen. Am 27. Mai 1939 starb Roth an den Folgen seiner starken Alkoholsucht in Paris.

Neue Erkenntnisse

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Roth im Rahmen der Ausstellung, die u.a. auf die Erkenntnisse der beiden ersten Roth-Wissenschafter David Bronsen und Senta Zeidler aufbauen konnte, hat Lunzer u.a. auf die Spur des verschollenen Manuskriptes zum "Radetzkymarsch" gebracht, die er verfolgen, aber noch nicht veröffentlichen will. Ein Adressbuch Roths lässt ein Netzwerk an französischen Politikern erkennen, die den Vertriebenen halfen, und bringt so neue zeitgeschichtliche Erkenntnisse. Zur Schau gibt es auch ein umfangreiches Begleitprogramm, etwa am Todestag Roths (27.5.) einen Vortrag von Victoria Lunzer-Talos zum Thema "Wie Jüdisch?". Neben dem Katalog zur Ausstellung, der eine Fülle an Material teils auch erstmals veröffentlicht, gibt es Roth-Neuauflagen bei Kiepenheuer & Witsch. (APA)