So modern-europäisch denkend und global handelnd können wir österreichischen Stadtbewohner gar nicht werden, dass wir nicht unbeirrt unsere Vorurteile weiter pflegten. Zum Beispiel jenes, dass die, die auf dem Land wohnen, ein bisserl konservativ seien und auch so wählen, komme da, was wolle. Dass die Menschen in der "Provinz" Veränderungen eher abgeneigt seien. Das ist allerdings, zumindest wenn es um Schulfragen geht, nicht mehr als ein Vorurteil - und ergo Unsinn.

Es sind gerade jene Schulen in ländlichen Regionen, die beim Pilotversuch "Neue Mittelschule" der roten Bildungsministerin Claudia Schmied mitmachen werden. Dass es sich dabei fast "nur" um Hauptschulen handelt, spricht für Reife und Aufgeschlossenheit der Pädagogen und Eltern an diesen Schulen - und gegen die Beharrungskraft an so mancher AHS. Angesichts der offenen Neugier, mit der Eltern und Schüler auf dem Lande an das neue Projekt herangehen, wirkt die Abwehrhaltung vieler städtischer Gymnasien hochnäsig und von gestern.

Die Anmeldungsbilanz für den als "Gesamtschule" verschrienen Pilotversuch der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen geriet zum Lehrstück über österreichische Befindlichkeiten. Diejenigen, die dagegen waren, schrien so laut, dass sich diejenigen, die dafür waren, nicht getrauten, dies laut auszusprechen. Die SPÖ knickte, angesichts des Gegenwinds einer Phalanx aus ÖVP, Lehrergewerkschaft und so manchem Elternvertreter, wieder einmal ein. Statt das im Wahlkampf als "Herzstück" bezeichnete politische Projekt einer Bildungsreform mit Verve durchzusetzen, ließ sich die Kanzlerpartei auf eine Mini-Kompromissvariante ein. Die österreichische Bevölkerung haben die roten Polit-Taktiker dabei freilich sträflich unterschätzt. Denn die ist wesentlich weniger konservativ, als es so manchem schwarzen Bildungspolitiker wohl recht ist. (DER STANDARD Printausgabe, 12. März 2008)