Mark Oliver Everett alias "E" alias Chef der US-Band Eels alias kauziges Genie mit dunkelschwarzen Liedern gastierte mannigfaltig im Wiener WUK. Was für ein Abend!

Foto: Fischer
Wien – "Ich denke nicht, dass all meine Lieder traurig sind, einige sind auch hoffnungslos." Dieser schöne Satz des 1997 verstorbenen Country-Sängers Townes van Zandt ließe sich auch auf das Werk von Mark Oliver Everett anwenden. Everett, der sich lapidar "E" nennt, zählt mit seiner Band Eels seit Mitte der 90er-Jahre zu den herausragendsten Vertretern der Alternative Music.

Seiner Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit sowie den daraus entstehenden Depressionen arbeitete der Tod als hartnäckiger Gast in Everetts Leben besonders konsequent zu – was sich im Eels’schen Gesamtwerk entsprechend niederschlägt: Immerhin verstarben dem jungen Everett innerhalb kürzester Zeit Vater und Mutter, seine Schwester wählte den Freitod.

Everetts meist zwischen bitterer Melancholie und Zynismus ausschlagende Songs, denen er mit verschnupft klingender Stimme ihren speziellen Charakter verleiht, scheinen jedoch nicht nur therapeutisch einigermaßen zu wirken. Auch für eine dauerhafte Weltkarriere reicht es, wie ein seit Monaten ausverkauftes Wiener WUK, in dem die Eels als flottes Duo am Montag gastierten, beweist.

Doch dieses Gastspiel war nicht bloß ein Konzert, es war eine Art Enthüllungsabend, der in das Dunkel der Frage, warum E so ist, wie er ist, ein wenig Licht brachte. Einerseits durch die von seinem Mitmusiker Jeff Lyster alias "The Chet" vorgelesenen Auszüge aus Everetts eben erschienener Autobiografie Things the Grandchildren Should Know – sehr lustig! –, andererseits durch eine BBC-Dokumentation, die der dem Meister im bestuhlten Saal harrenden Fangemeinde als Vorspiel geboten wurde.

Diese Doku zeigt den 45-jährigen Everett, der sich auf die Spuren seines früh verstorbenen Vaters begibt und Dinge wie diese erzählt: "Als ich meinen toten Vater berührte, war er schon starr. Das war die erste physische Berührung mit ihm, an die ich mich überhaupt erinnern kann."

Rockstar der Physik

Andererseits beruhigte der Film Normalsterbliche, indem er vorführte, dass selbst an der Universität Princeton lehrende Physiker auf die Frage, was Fotonen seien, lediglich "That’s a very good question" als "Antwort" parat haben. Menschlich, nachgerade!

Everetts Vater war der Quantenphysiker Hugh Everett III., ein Zeitgenosse Niels Bohrs, der dessen Quantentheorie eine eigene entgegenhielt – aber damit weitgehend unbeachtet blieb. Erst nach einer Karriere als Nuklearphysiker im Pentagon und in der Privatwirtschaft fand diese Beachtung. Heute gilt der alte Everett als "Rockstar in der Physik" – so der junge Everett –, dessen Theorie große Beachtung findet und deren Verwegenheit unter seinen Anhängern sogar das Jargonwort "everettian" zeitigte. Ein Begriff, der sich bestens auf die Musik der Eels anwenden lässt. Allein mit Gitarre eröffnete "E" den Abend, bevor "The Chet" auf die Bühne kam, um den Mann im Hackleroverall an Gitarre, Schlagzeug, Klavier oder Glockenspiel oder – in Bus Stop Boxer – an der singenden Säge zu unterstützen.

Aber erst nachdem E am Klavier über Ugly Love memorierte. An zwei Gitarren gab man Strawberry Blonde, bevor die beiden demonstrierten, dass sich auch als Duo ein vollwertiges Konzert bestreiten lässt, ohne dass es der Charakteristik des Werks abträglich wäre. Everett, der all den seine Gesundheit schädigenden Dämonen eine gesunde Portion schwarzen oder auch infantilen Humor – "Are you my Schatzi, Schatzi?" – entgegenhält, könnte mit seiner Heute-ist-die-ganz-Familie-gestorben-Stimme auch a capella überzeugen.

Krachend durchzog er durch My Beloved Monster, in dem sich "The Chet" für eine Dosis Gitarrenlärm extra vom Schlagzeug an die Gitarre und anschließend wieder zurück bequemte. Led Zeppelins Good Times, Bad Times erfuhr eine "bad times"-Interpretation, und gegen Ende musste Everett noch eingestehen, dass es ihm nicht anders ergeht, als einst dem King: Mit Can’t Help Falling in Love als Zugabe. Klar: "E" – wie Elvis! Guter Mann, großer Abend. (Karl Fluch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 3. 2008)