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Mit bloßen Augen sind die Schriften verschiedener mittelalterlicher Schreiber kaum zu unterscheiden. Ein computergestütztes Verfahren dagegen schafft das Kunststück.

Foto: APA/EPA/Harald Tittel
Graz - Die Handschrift ist ein Identifikationsmerkmal, das kaum zu fälschen ist. Sie ist Teil der Individualität - auch wenn sie, wie in mittelalterlichen Schreibstuben üblich, weitestgehend entindividualisiert wurde. "An der Herstellung der alten Manuskripte waren meist mehrere Schreiber beteiligt, die nur sehr schwer voneinander zu trennen sind", schilderte der Grazer Germanist Wernfried Hofmeister das Ausgangsproblem bei der Analyse mittelalterlicher Bücher.

Grazer Spezialisten haben nun ein Verfahren entwickelt, das die Untersuchung dieser Schriften wesentlich erleichtert. Durch millimetergenaue Schriftanalysen ist es nun möglich zu erkennen, wie viele Schreiber an der Anfertigung einer mittelalterlichen Handschrift beteiligt waren. Das vom Land Steiermark gestützte Pilotprojekt "Damals" (Datenbank zur Authentifizierung mittelalterlicher Schreiberhände) setzt die computergestützten Mustererkennung ein, um Schriftcharakteristika zu identifizieren, die das menschliche Auge nicht mehr ausmachen kann.

Mehrere Schreiberhände

In Kooperation mit der Forschungsgesellschaft Joanneum Research arbeitet Wernfried Hofmeister daran, in mittelalterlichen Handschriften die verschiedenen "Schreiberhände" zu bestimmen: Mit computergestützten Bildverarbeitungs-Methoden wird quasi ein "handschriftlicher Fingerabdruck" erkannt, der laut Hofmeister genauer und objektiver sein soll als alle bisherigen Verfahren.

"Bis dato hat man in diffizilen Fällen eine subjektive Entscheidung treffen müssen - jetzt wird das Auge von neuester Hochtechnologie unterstützt", so Projektleiter Hofmeister. Dazu werden die Schriftstücke digitalisiert, genau vermessen und in eine vom Institut für Informationssysteme und -management des Joanneum Research erstellte Datenbank eingespeist. So sollen charakteristische Schriftelemente erfasst, wiedererkannt und zugeordnet werden können.

Die Innovation des interdisziplinären Grazer Projektes liegt im Detail: "Bisher wurden nur einzelne Buchstaben analysiert - wir hingegen erfassen sogar Buchstabenteile wie z. B. die Position von i-Punkten, aber auch ganze Wörter und deren musterartige Besonderheiten", sagte Hofmeister.

Heidelberger Codex unter der digitalen Lupe

Analysiert wird im Rahmen des 45.000 Euro-Projektes der sogenannte Heidelberger Codex von Hugo von Montfort aus dem Jahr 1415. Daran sollen zwei bis vier Schreiber beteiligt gewesen sein. "Unsere Vision wäre es, eine Art "Fahndungskartei" anzulegen, die auf die verschiedensten Dokumente anwendbar wäre", so Hofmeister.

Vor allem bei umfangreichen Handschriften, die in Bibliotheken in ganz Europa verstreut sind, böte ein automatischer Suchlauf auf digitaler Basis nicht nur die Möglichkeit, mehr Manuskripte in kürzerer Zeit zu analysieren, sondern vielleicht auch völlig neue Querverbindungen einzelner Schreiber zu anderen Werken zu entdecken. (APA/red)