In Wien traf Ron Jones, Geschichtslehrer und Erfinder der "Welle", die Nationalratspräsidentin Barbara Prammer.

Foto: Constantin Film

Das Buch gehört zur Pflichtlektüre vieler Schüler: In "Die Welle" wird die Entstehung eines Massenphänomens aufgezeigt. Auch die Neuverfilmung beruht auf dem Schülerprojekt von Ron Jones aus den 60er-Jahren in den USA.

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Wien – Er ist der Initiator eines Schülerprojekts, das völlig außer Kontrolle geriet. Heute soll es Schülern beispielhaft vor Augen führen, wie Faschismus entstehen kann.

Ron Jones, der ehemalige Geschichtslehrer einer kalifornischen Highschool, ist allseits bekannt für sein umstrittenes Schulprojekt "Die Welle", das bereits zu einem Buch und einem Film verarbeitet wurde.

Angesichts der Premiere einer Neuverfilmung durch Dennis Gansel (ab 14. März im Kino) tourte der Lehrer Ron Jones auch durch Österreich. Der SchülerStandard sprach mit ihm über die heutige Verantwortung und wie ein aufgeklärter Unterricht in der Schule zur Prävention von Faschismus beitragen könne.

Was zunächst nur eine spielerische Demonstration eines autokratischen Systems schien, verwandelte sich zu einer beängstigenden, ernstgemeinten Bewegung, die immer mehr Mitglieder an sich riss. Anfangs belächelte Jones sein Projekt sowie das Engagement und Interesse seitens der Schüler noch, erzählt er. Bis er sich selbst eingestehen musste, dass er mit seinem Projekt zu weit gegangen war.

Das Experiment hatte sich als zu gefährlich entpuppt.

"Eines Tages, als ich in das Lehrerzimmer ging, sah ich, dass hinter mir einer meiner Schüler stand. Er sagte mir, dass er mein Bodyguard sei, und ich fühlte mich geschmeichelt."

Heute bereut Ron Jones sein Experiment. Er sieht sich nicht als Held, der es schaffte zu zeigen, dass Faschismus heute immer noch möglich ist. Vielmehr beschreibt er sein Projekt als einen "dummen Fehler". Er sei jung gewesen und stets auf der Suche nach neuen Reizen.

"Die Tragödie war: Ich mochte es", erzählte Jones bei einer Pressekonferenz in Wien. "Ich habe die Ordnung, die Disziplin, die Bewunderung geliebt", sagt er, und folgert: "Ich war ein Opfer meines eigenen Experiments."

Kurz nach diesen Vorfällen im Jahr 1967 wurde er wegen seines Engagements gegen den Vietnamkrieg von seiner Schule verwiesen. Oft wird Ron Jones gefragt, ob dieser Versuch, wie "die Welle" heutzutage noch funktionieren würde, sind wir heute doch aufgeklärter denn je, so die Annahme. Jones meint dazu, dass Faschismus noch immer täglich passiere.

"Gleich ob in der Kirche, in einem Tempel oder bei der Arbeit. Das Prinzip der Welle ist immer vorhanden", sogar auf personaler Ebene. Faschismus passiere zu jeder Zeit und an jedem Ort, es sei nicht nur eine Sache Deutschlands oder Österreichs. Gerade in den USA sieht Jones sehr viele Parallelen zum Faschismus. "Amerika besitzt eine Polizei, die im Dunkeln agiert", und Folter sei noch immer eine offiziell anerkannte Sache, "Stichwort Guantánamo", betont Jones.

In Amerika herrsche außerdem ein "falscher Patriotismus", der dazu führe, dass die Menschen die wahren Probleme des eigenen Landes nicht mehr erkennen. "Amerika ist nicht interessiert, und keiner kümmert sich darum, was im Zuhause alles schiefgeht"

Darum sei Jones sehr "dankbar", erzählt er, dass in Österreich die Geschichte der NS-Zeit an Schulen bearbeitet wird. Denn "jeder von uns ist zu Gutem und zu Bösem fähig", gerade deshalb sei ein System der gegenseitigen Kontrolle in einer Demokratie essenziell. (Ana Marija Cvitic und Arian Lehner/DER STANDARD Printausgabe, 11. März 2008)