Berlin - Fünf Mal sind sie im idyllischen Potsdam, nahe Berlin, beisammengesessen: Auf der einen Seite die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, auf der anderen die Arbeitgeber des Bundes und der Kommunen.

Doch am Freitag scheiterten die Tarfiverhandlungen für den öffentlichen Dienst in Deutschland endgültig. Zwar lobte Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), dass es zuletzt überall beachtliche Bereitschaft zu Bewegung gegeben habe. Doch letztendlich fand man keinen Kompromiss.

Mindestens 200 Euro mehr

Verdi fordert für die 1,3 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes acht Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro für jeden Arbeitnehmer monatlich. Jährliche Kosten: fünf Milliarden Euro. Die Arbeitgeber boten zuletzt fünf Prozent mehr Lohn über einen Zeitraum von zwei Jahren und wollten ihre Bediensteten dafür jedoch länger arbeiten lassen.

Einen letzten Versuch soll es nun noch geben - und zwar in Form einer Schlichtung, die Innenminister Schäuble am Mittwoch einleiten will und die bis 29. März dauern soll. Als Schlichter stehen der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Lothar Späth (CDU), und der ehemalige Oberbürgermeister von Hannover, Herbert Schmalstieg (SPD), bereit.

Während dieser Schlichtungszeit sind die beiden Tarifparteien ja an eine "Friedenspflicht" gebunden. Das bedeutet, dass die Gewerkschaft keine Warnstreiks oder Streiks vom Zaun brechen darf. Doch sollte auch dieser Versuch scheitern, dann wird es ab April in Deutschland zu massiven Arbeitsausständen kommen.

"Wir sind streikbereit", trommelt Verdi-Chef Frank Bsirske seit Tagen. Angeblich ist die Streikkasse von Verdi so gut gefüllt, dass die Bediensteten ein Jahr lang streiken könnten. Einen ersten Vorgeschmack darauf hat es ja schon diesen Mittwoch gegeben: Weil das Flughafenpersonal seine Arbeit an einigen deutschen Flughäfen niederlegte, musste die Lufthansa 300 Flüge streichen, 18.500 Passagiere saßen fest.

Berlin könnte völlig lahmliegen

Doch schon am Montag könnten Bahnreisende in Deutschland wieder stranden. Eigentlich haben die Deutsche Bahn und die Gewerkschaft der Lokomotivführer ihren mühsam errungenen Kompromiss (elf Prozent mehr Lohn eigener Tarifvertrag für Lokführer) schon längst in Details ausverhandelt. Doch Bahn-Chef Hartmut Mehdorn hat das Vertragswerk - im Gegensatz zu GDL-Chef Manfred Schell - immer noch nicht unterschrieben. Denn die Bahn möchte dem eigenen Tarifvertrag der Lokführer jetzt noch einen "Grundlagentarifvertrag" für alle Bediensteten anfügen.

Das aber würde die "Extrawürste" für die Lokführer wieder ad absurdum führen, befürchtet die GDL und setzt der Bahn bis Sonntag, 23.59 Uhr ein Ultimatum. Sollte Mehdorns Signatur bis dahin nicht vorliegen, will die GDL sofort Streiks im Güter-, Fern- und Nahverkehr ausrufen. Besonders hart wäre Berlin, denn da fahren wegen eines Streiks bis Dienstag auch keine Busse und U-Bahnen. Züge von und nach Österreich könnten ebenfalls betroffen sein. Informationen gibt es unter www.oebb.at und unter der Telefonnummer (0049-1805) 33 44 44.

Die GDL zeigte sich wenig begeistert von dem zuvor geäußerten Plan der Bahn, den für Montag angedrohten Streik durch neue Verhandlungen noch abwenden zu wollen. "Es ist merkwürdig, dass Bahn-Personalvorstand Margret Suckale noch auf ein Pferd setzt, das schon tot am Boden liegt", sagte GDL-Vizechef Claus Weselsky laut einem Vorabbericht des "Tagesspiegels" (Samstagausgabe) in Anspielung auf die von ihr angestrebte Kooperation der drei Bahn-Gewerkschaften.

Die GDL sei zu einer Zusammenarbeit mit Transnet und GDBA zwar bereit, "aber nur unter gleichberechtigten Partnern". Dies wolle die Transnet aber nicht, "die glauben sich derzeit in einer Position, in der sie uns die Bedingungen diktieren können", kritisierte Weselsky. Es könne keine Kooperation geben, bei der die Eigenständigkeit der GDL verloren gehe. Das Treffen der drei Organisationen am Freitag, bei dem die Gewerkschaftsspitzen eine Lösung suchen wollten, sei daher nach 20 Minuten bereits beendet gewesen. (red/bau, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.3.2008)